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Der Gastprofessor

Der Gastprofessor

Titel: Der Gastprofessor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
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leben.«
    »Sie stecken bis zum Hals in der Scheiße«, warnt Mitchell Lemuel. »Man hat schon von Drogenhändlern gehört, die nach vielen Jahren im Knast verrottet sind.«
    »Im Knast«, wendet Lemuel ein, »wäre ich nicht in der Lage, komplizierte statistische Varianten in großen Stichproben von Daten zu identifizieren, bei denen es sich um das schwächste Glied auch fast vollkommener Zufälligkeit handelt. Ich wäre nicht in der Lage, irgendeinen Code zu knacken, der heute auf der Welt benutzt wird.«
    »Hört sich ja fast an, als stünden wir in Verhandlungen«, sagt Mitchell zu Doolittle.
    »Ich glaube, hier bahnt sich so was wie ein Deal an«, sagt Doolittle.
    »Machen wir reinen Tisch«, resümiert Mitchell. »Wenn wir den Hite Report vergessen, würden Sie dann aus der Kälte kommen und für die Guten arbeiten?«
    Doolittle klopft die Details im Kleingedruckten fest. »Sie würden Codes für die ADVA knacken, die eine Unterabteilung von PROD ist, das eine Unterabteilung der NSA ist?«
    »Ich stelle eine Bedingung«, sagt Lemuel. »Lassen Sie den Rebbe in Ruhe.«
    »Opfern Sie sich nicht für mich«, fleht der Rebbe Lemuel an. »Ich habe Freunde in hohen Positionen.«
    »Nennen Sie mir einen, Sportsfreund«, sagt Mitchell hämisch.
    Der Rebbe richtet sich zu seinen vollen einsfünfundfünfzig auf. »Jahwe.«
    Mitchell ist nicht beeindruckt. »Für welche Behörde arbeitet der?«
    Lemuel fragt mit unbewegter Miene: »Yo! Sie haben noch nie von Strichweise Jahwe gehört? Der Typ ist meistens nicht so ganz auf dem laufenden, was so manches auf der Rückseite der New York Times erklärt, wie beispielsweise den Holocaust, aber er ist definitiv ein Macher. Es tut sich nicht viel in den Korridoren der Macht, wovon er keine Kenntnis hat.«
    Die Schläfenlocken des Rebbe schlagen Kapriolen. »Gepriesen sei der Herr«, ruft er. »Endlich haben Sie den Sprung gewagt.« Seine Handgelenke schießen aus seinen gestärkten Manschetten hervor, als er die Arme hochwirft und Jahwe von Mann zu Mann anredet. »Unsere Seele ist entronnen wie ein Vogel dem Strick des Vogelfängers«, jubelt er. »Der Strick ist zerrissen, und wir sind los.«
    »Der redet Kauderwelsch«, sagt einer der Klone.
    »Was ich rede«, korrigiert ihn der Rebbe mit einem biblischen Glimmen in den glänzenden talmudischen Augen, »ist Psalm 124, Vers 7. Sela. «

7. KAPITEL
    Typen, die in der Einführung in die Psychologie mit Bestnote abgeschnitten haben, wollen mir einreden, daß hinter Ladendiebstahl mehr steckt, als man auf den ersten Blick vermutet, aber ich seh das ehrlich nicht ein. Ich hab nicht das Gefühl, daß ich mich gegen die elterliche Autorität auflehne, wenn ich ab und zu mal was im Supermarkt mitgehen lasse, ich glaub auch nicht, daß ich damit einen Todeswunsch zum Ausdruck bringe, eher das Gegenteil, ich drück damit meinen Lebenswunsch aus, weil ich nämlich alles aufesse, was ich klaue.
    Also, neulich geh ich wieder mal durch die Gänge vom E-Z Mart und lasse den einen oder anderen Luxusartikel über meine wollüstige Schulter in das Geheimfach von meinem Stoffrucksack gleiten – es war der Tag der Sommersonnenwende, der einzige Zeiger von meiner Schweizer Uhr, der die Mondphase anzeigt, lehnte sich schon an das S von Sommer. Das Semester war vor drei Wochen offiziell zu Ende gegangen, gleich nachdem L. Falk spurlos verschwunden war; ich hatte zufällig auf der Straße den Rebbe getroffen und ihn beiläufig gefragt, ob sein Hausgenosse nach Miami am Euphrat umgezogen war. Ich hatte den Verdacht, der Rebbe wußte mehr, als er nicht sagen wollte, und ließ nicht locker, und so erfuhr ich, daß mein Hite Report dem FBI in die Hände gefallen war.
    Wo war ich?
    Yo! In zwei Tagen wollte ich meine alten Klamotten mit einer geliehenen Kutte samt schwarzem Deckel vertauschen und meinen Collegeabschluß feiern, der summa cum lausig ausgefallen war, wie Dwaye sagt, um mich daran zu erinnern, daß ich im Durchschnitt grade mal auf ein C komme. Ich hatte mich mehr oder weniger entschlossen, auch nach dem Studium in Backwater zu bleiben. Ich spielte sogar mit dem Gedanken, mir in meinem Salon einen zweiten Stuhl zuzulegen für die Haarwäsche – warum soll man nicht mit dem Strom schwimmen, oder? – und bereitete mich schon darauf vor, diesen Entschluß angemessen zu feiern. Ich hatte mich provisorisch mit Zbig verabredet, dem aus Polen stammenden Tackle, hatte sogar geübt, seinen Nachnamen auszusprechen, ja? Es geht so ähnlich wie

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