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Der Gebieter

Der Gebieter

Titel: Der Gebieter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan Whalen Turner
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wurde, und konnte es nicht; stattdessen sah er eine irgendwie auf Kindergröße zusammengeschrumpfte, erwachsene Attolia vor sich. Dieses Bild lenkte ihn so ab, dass ihm erst verspätet auffiel, dass alle auf der Terrasse ihn ansahen. Der König hatte ihn zu sich herangewinkt und wartete nun mit einer hochgezogenen Augenbraue.
    Als Costis vortrat, musterte der König ihn gründlich von oben bis unten. Er beugte sich näher heran, um die Schnallen von Costis’ Brustpanzer anzustarren, während Costis im Kopf die Tage zurückzählte, die vergangen waren, seit er sie zuletzt poliert hatte. Der folgende missbilligende Blick des Königs ließ Costis zu der Überzeugung gelangen, dass irgendwo eine Schnalle offen oder ein Stück des Panzers nicht blankgerieben war.
    »Wenn ich recht verstehe, bist du nun Gardist ohne festen Posten?«
    »Ja, Euer Majestät.«
    Der König wandte sich an seinen Hauptmann. »Baumelt er dann künftig wie ein loser Faden aus Eurem ordentlichen Dienstplan?«
    »Ich bin mir sicher, dass ich eine Verwendung für ihn finden kann, Euer Majestät.«
    »Ich habe einen Stellung anzubieten, die wie für ihn geschaffen ist«, sagte der König. »Er kann mir dienen.«
    »Die Einheiten, die dem König dienen, sind voll besetzt, Euer Majestät, aber wir können eine Einheit vergrößern, wenn Ihr es wünscht.«
    »Nein, nicht im Trupp eines anderen.«
    »Ihr wollt ihn von der übrigen Garde loslösen?« Teleus war verwirrt.
    »Ich dachte als … Leutnant.«
    Teleus war fassungslos.
    »Ja.« Der König nickte, als hätte er plötzlich eine Entscheidung gefällt. »Ich will, dass er zum Sonderleutnant befördert und mir zugeordnet wird. Jeden Tag von heute an, bis ich ihn entlasse. Morgens und nachmittags. Ich werde ihn davon in Kenntnis setzen, wenn ich ihn auch abends bei mir haben möchte. Er kann jetzt anfangen.«
    »Costis hat keine Leutnantsausbildung durchlaufen«, wandte Teleus höflich ein. »Er ist nicht mit dem Dienstprotokoll im inneren Palast vertraut.«
    »Er kann alles im Zuge seiner Tätigkeit lernen.« Der König nahm Costis das Gewehr aus der Hand. Ein Leutnant trug keines. Er reichte es an Teleus weiter und winkte, dass er wegtreten könne.
    Als Teleus stehen blieb, winkte der König noch einmal, scheuchte ihn davon wie eine lästige Taube. Der Hauptmann verneigte sich, warf Costis finster einen warnenden Blick zu und zog sich dann zurück.
    »Ich glaube, er hat dich angewiesen, dir selbst keine Schande zu machen«, sagte der König und wandte sich dann seinen Kammerherren zu. »Wohin gehen wir heute Morgen?«, fragte er.
     
    Der Tag, der nun folgte, war von der gleichen albtraumhaften Unmöglichkeit wie der vorhergehende geprägt. Verstört folgte Costis dem König und seinen Kammerherren und Wachen durch die verschlungenen Gänge eines Palasts, der im Laufe unzähliger Jahre von mindestens sieben namentlich bekannten Baumeistern zusammengestückelt worden war. Er beobachtete die Unterrichtsstunde, die der König über Olivenanbau und Besteuerung erhielt. Als sie vorüber war, fragte der König Costis, ob er glaubte, dass es besser sei, eine Steuer pro Baum zu erheben oder den Olivenertrag von Jahr zu Jahr schätzen zu lassen.
    »Ich weiß es nicht, Euer Majestät«, antwortete Costis.
    »Hm«, brummte der König. »Ich dachte, du wärst auf einem Bauernhof aufgewachsen?«
    Auf den Vortrag über Olivenanbau folgte eine Stunde Medisch-Unterricht. Während der König offensichtlich gelangweilt im Zimmer herumspazierte und sich nicht scheute, das zu zeigen, versuchte Costis, aufmerksam zu bleiben. Der König schien dank göttlicher Eingebung zu wissen, wann Costis’ Aufmerksamkeit abschweifte.
    »Costis. Das medische Wort für Tod ? Ich kann mich nicht daran erinnern.«
    Costis zermarterte sich das Gehirn und suchte den Teil seines Verstands ab, der sich an die letzten paar Wörter erinnerte, die er gehört hatte, ohne sie richtig zu verstehen. »Shuut «, sagte er am Ende. Eindeutig verärgert stellte der König ihm eine weitere Frage, dann noch eine, bis Costis keine Antwort mehr wusste, und dann noch ein paar weitere. Die Konjugation von schlagen , das Wort für Verräter , der Ausdruck für Dummkopf .
    »Vergebt mir, Euer Majestät. Den Teil der Stunde habe ich nicht mitbekommen«, sagte Costis. Die Lehrer Seiner Majestät hatten nichts von alledem erwähnt.
    »Du könntest ja vielleicht aufpassen, was um dich herum vorgeht, statt dich Tagträumen hinzugeben. Mein Leben hängt davon

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