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Der Gebieter

Der Gebieter

Titel: Der Gebieter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan Whalen Turner
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auf, dass er keine Ahnung hatte, wie er den Palast wieder verlassen sollte. Er warf einen Blick über die Schulter auf die Wachen vor der Tür des Königs. Sie sahen ihn ausdruckslos an, und Costis war nicht töricht genug, sie um eine Wegbeschreibung zu bitten. Er holte tief Luft und beschloss, den Weg in den Hauptteil des Palastes zurückzugehen, den er gekommen war. Wenn er erst einmal dort war, würde er sich auf vertrautem Gebiet befinden.
    Er erkannte, dass er sich an einen Großteil der Strecke erinnerte. Sie machte so viele Biegungen und Windungen, dass er
am Ende, da die Verschlungenheit seine Neugier geweckt hatte, abbog, um etwas in den Gängen ringsum herumzustöbern. Durch einen glücklichen Zufall fand er einen breiten Korridor, der geradewegs ins Zentrum des Palastes führte. Erleichtert machte er sich in die Baracken auf, um nach Teleus zu suchen.
    Er brachte einen Großteil seiner kostbaren dienstfreien Zeit damit zu, nach dem Hauptmann der Leibgarde zu suchen, ohne ihn zu finden. Am Ende gab er auf, holte sich rasch etwas Brot aus dem Speisesaal und kehrte in die Gemächer des Königs zurück, nur um an dem Eingang, den er in den inneren Palast gewählt hatte, aufgehalten zu werden. Niemand hatte ihm auf dem Weg hinaus Fragen gestellt, aber sie verlangten einen Beleg seiner Befugnis, um ihn wieder einzulassen. Als er die Sache erklärte, sahen sie ihn zweifelnd an, schickten aber nach dem Leutnant, der in der Schreibstube des Hauptmanns Dienst tat. Teleus musste Anweisungen hinterlassen haben, denn der Bote kehrte mit der Nachricht zurück, dass Costis befugt war, den Palast zu betreten, und die Wachen schickten ihn weiter.
    Als Costis endlich die Gemächer des Königs erreichte, kam er zu spät. Er hatte keine Zeit, sich erklären zu lassen, wo er Aufstellung nehmen sollte. Kaum, dass er die Wachstube betreten hatte, kam der König herausgestürmt, und Costis musste ihm folgen.
     
    Die Nachmittagsaudienz wurde im Audienzsaal in der Mitte des Palastes abgehalten. Costis hatte Attolias Thronsaal zwar schon gesehen, aber nicht so oft, dass er für ihn nicht mehr beeindruckend gewesen wäre. Eugenides dagegen schien die Mosaiken und die hoch aufragenden Säulen, die das Dach trugen, gar nicht zu bemerken.
    Der nominelle König von Attolia ließ sich auf den Thron neben dem der Königin fallen und lächelte sie an. »Es ist nicht
meine Schuld, dass ich zu spät komme«, sagte er mit kindlicher Freude. »Costis ist nach dem Essen nicht zurückgekommen. Ich habe ewig gewartet!«
    Attolia verzichtete auf eine Antwort. Costis gehorchte den gezischten Anweisungen eines Kämmerers und dem hilfreichen Wink eines der anderen Gardesoldaten und fand einen Platz an der Wand, an den er sich stellen konnte, um die Staatsgeschäfte zu beobachten. Die Königin lenkte alles. Niemand sprach den König an, und er sagte seinerseits kein Wort. Costis’ Interesse ließ nach, und er begann sich zu langweilen, achtete aber darauf, seinen Gesichtsausdruck aufmerksam zu halten. Die Mühe machte sich der König nicht. Während ein Baron eine besonders langatmige Erklärung über seine Steuerzahlungen abgab, lehnte der König sogar den Kopf zurück und schloss die Augen; es wirkte ganz, als ob er eingeschlafen sei.
    Schließlich neigte sich die Audienz dem Ende zu. Die, die kein Gehör gefunden hatte, würden am nächsten Tag zurückkehren müssen. Der König und die Königin erhoben sich. Sie waren von ihrem Gefolge und ihren Wachen umgeben, als sie sich zurückzogen. Seite an Seite schritten sie den Gang entlang.
    »Du kannst während einer Audienz etwas sagen«, bemerkte die Königin.
    »Kann ich«, pflichtete der König ihr bei. »Ich habe auch darüber nachgedacht, Artadorus mitzuteilen, dass er sich die Haare schneiden lassen soll.«
    »Das wäre sehr eindrucksvoll gewesen  – dann hättest du ja nicht nur gesprochen, sondern das auch noch im Schlaf!«
    »Ich habe zugehört«, sagte der König bekümmert. »Ich habe die Augen geschlossen, um besser zuhören zu können.«
    »Was hast du gehört?«
    »Ich bin mir nicht sicher«, erwiderte er. »Deshalb habe ich auch so genau hingehört. Vielleicht muss ich den Baron bitten,
einige Teile seines Berichts über seine Kornsteuern zu wiederholen.«
    »Ich bin mir sicher, dass du einen Termin abmachen kannst.«
    »Da bin ich mir auch sicher.«
     
    Als Costis endlich entlassen wurde, kehrte er in die Baracken zurück. So erschöpft, als hätte er den ganzen Tag in einer

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