Der Gebieter
Schlacht gekämpft, stolperte er nach oben und den schmalen Gang entlang zu seinem engen Quartier, in dem er aber wenigstens allein sein würde. Der Ledervorhang, der als Tür diente, war zurückgezogen. Das Zimmer war leer, von jeder einzelnen Habseligkeit entblößt; sogar die dünne Matratze auf dem Bett war leer, die Bettlaken fort. Costis kam sich vollends besiegt vor; er ließ sich auf den dreibeinigen Schemel fallen, auf dem am Vortag der König gesessen hatte, und fragte sich, was er als Nächstes tun sollte.
Er hatte noch nicht lange da gesessen, als ein Barackenjunge erschien. »Der Hauptmann befiehlt, dass Ihr sofort zu ihm kommen sollt.«
Costis dankte ihm und lenkte seine Schritte müde wieder die Treppe hinunter und über den Hof zu der Zimmerflucht, die Teleus’ Schreibstube und seine Wohnräume umfasste. Eine schmale Treppe führte an der Außenwand hinauf zu einem kleinen Treppenabsatz und einer Tür. Costis klopfte.
Teleus saß schreibend am Tisch. Neben ihm stand ein Tablett mit Brot, Käse, einer Amphore und einem Weinbecher. Relius, der Archivsekretär, saß auf einem Schemel daneben; er hielt den zweiten Weinbecher in der Hand und nickte Costis zu. Costis unterdrückte das Zittern, das der Schauer auslöste, der ihm vom Nacken ausgehend über den Rücken lief. Teleus schrieb weiter. Costis wartete.
»Er wird es noch einmal versuchen, das weißt du auch«, sagte Relius zum Hauptmann der Leibgarde und setzte so das Gespräch
fort, das Costis unterbrochen hatte. »Wenn er selbstsicherer geworden ist, wird er gegen uns beide vorgehen.«
»Wenn wir wertvolle Diener der Königin sind, wird sie uns schützen, wie sie es auch bisher getan hat«, sagte Teleus, überprüfte einen Dienstplan und tauchte die Spitze seiner Feder wieder in die Tinte.
»Und wenn wir nicht wertvoll sind?«, fragte Relius.
»Wenn wir nicht wertvoll sind, warum sollte sie uns dann verteidigen?« , fragte Teleus.
Relius seufzte. »An unserem Wert könnte niemand zweifeln«, sagte er, »aber kein Mann ist unersetzlich. Das habe ich ihr selbst beigebracht. Vor vielen Jahren.« Er nippte an seinem Wein. »Du könntest gehen«, schlug er Teleus vor.
Der Hauptmann blickte von seiner Arbeit auf. »Das könntest du auch«, entgegnete er. »Aber das wirst du nicht tun, und ich auch nicht.« Er wandte sich wieder dem Schreiben zu.
Relius stand auf und stellte seinen Weinbecher aufs Tablett. Er ordnete seine Kleider und strich die Falten aus dem teuren Stoff; dann nahm er sich einen Augenblick Zeit, sein bereits makelloses Haar zu glätten. Er klopfte Teleus auf die Schulter, lächelte Costis wortlos an und ging.
Costis wartete.
Am Ende legte Teleus die Feder hin. »Du warst ein Jahr jünger, als die Altersgrenze es vorschreibt, als ich dich eingestellt habe. Ich habe für dich eine Ausnahme gemacht. Weißt du warum?«
»Nein, Hauptmann.«
»Noch ein Jahr auf dem Hof deines Onkels hätte dich vielleicht ruiniert, und ich wollte deine Fähigkeiten nicht vergeuden Aber nun sind sie vergeudet, nicht wahr? Du hast sie weggeworfen.«
»Das tut mir sehr leid, Hauptmann.«
»Ich würde gern annehmen, dass ein Bedürfnis nach Gerechtigkeit für einen Augenblick deinen gesunden Menschenverstand übermannt hat, aber es ist schwer zu rechtfertigen, jemanden anzugreifen, der nicht in der Lage ist, sich zu verteidigen, ganz gleich, wie verabscheuungswürdig er ist – und«, fügte er hinzu, »ganz gleich, wie sehr dich deine Kameraden dazu beglückwünschen mögen.«
Costis öffnete den Mund, doch ihm fehlten die Worte, und Teleus hob ohnehin die Hand.
»Deine Ausrüstung ist in eines der Leutnantsquartiere gebracht worden. Der Junge zeigt dir, welches es ist.«
»Ich verstehe nicht ganz, Hauptmann.«
»Was verstehst du nicht, Leutnant?«
»Wie kann ich Leutnant sein, Hauptmann?«
»Der König hat dich aus einer Laune heraus befördert, weit über deine Verdienste hinaus. Wenn es dem König gelingt, sich meiner zu entledigen, wirst du vielleicht der nächste Hauptmann der Leibgarde. Es ist ein Witz, Costis. Du bist ein Witz. Wenn du nicht willst, dass der Witz des Königs Erfolg hat, dann tu deine Pflicht, und das gut. Ohne Zweifel gibt es noch weitere Männer, die er zu vernichten versuchen wird. Wir müssen es ihm nicht leicht machen. Hier ist dein Dienstplan.« Er schob ein Papier über den Tisch. »Du wirst abgesehen davon, dass du um den König herumscharwenzelst, auch die regulären Pflichten eines Leutnants erfüllen.
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