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Der Gebieter

Der Gebieter

Titel: Der Gebieter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan Whalen Turner
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ab, wie du weißt.«
    Costis dachte, dass er vielleicht gestorben war und den Fluss in die Hölle überquert hatte, ohne etwas von der Reise mitzubekommen.
    Am Ende trat einer der Kammerherren vor, um dem König mitzuteilen, dass es an der Zeit sei, in seine Gemächer zurückzukehren und zu essen. Die Lehrer des Königs dankten ihm mit allem Anschein von Aufrichtigkeit.
    Auf dem Gang ließ der König sich hinter seine Kammerherren zurückfallen, um neben Costis herzugehen.
    »Also, Costis«, sagte er, »hast du alles gelernt, was du über das Medische wissen musst?«
    »Nein, Herr«, erwiderte Costis, da er das für die unverfänglichste Antwort hielt.
    Der König gähnte und hielt sich die Hand vor den Mund. »Ich auch nicht«, sagte er.
    Sie hatten eine Ecke erreicht. Die Kammerherren, die vor ihnen gewesen waren, hatten höflich ihre Schritte verlangsamt, bis der König wieder auf gleicher Höhe mit seinem Gefolge war. Sejanus murmelte eine Wegbeschreibung.
    Der König sah sich um. »Ich dachte, es sei da drüben.«
    »Nein, Euer Majestät«, sagten die Kammerherren geduldig im Chor.
     
    Der Eingang zu den Gemächern des Königs war ebenso wie der zu den Gemächern der Königin immer bewacht. Der König nickte den Wachen zu und schritt durch die Tür, die vom Korridor
hineinführte. Costis zögerte, unsicher, ob er auf dem Flur warten oder selbst hindurchgehen sollte. Eine Hand zwischen seinen Schulterblättern stieß ihn vorwärts. Hinter der Tür fand er eine elegante, holzgetäfelte Wachstube vor, die durch tief in die gegenüberliegende Wand eingelassene Fenster erhellt wurde. Sie war das Vorzimmer zu den Privatgemächern des Königs; weitere Soldaten und einer von Teleus’ Leutnants hielten sich hier auf. Costis war, wie ihm zu seinem Entsetzen wieder einfiel, auch einer der Leutnants des Hauptmanns.
    Die Wachen, die in Habachtstellung im Zimmer standen, mussten noch vor wenigen Augenblicken auf den Bänken, die sich an den Wänden entlangzogen, gesessen haben. Der König machte eine Handbewegung  – die Geste drückte zugleich Anerkennung und ein Abwinken aus  –, und die Gardisten gaben ihre Erstarrung zugunsten einer etwas entspannteren, aber respektvollen Haltung auf. Ein Soldat öffnete eine Tür zur Rechten des Königs, und er ging gefolgt von seinen Kammerherren hindurch. Costis wusste aus dem Palastklatsch und von Sejanus, dass es sich bei dem Zimmer dahinter um das Schlafgemach des Königs handeln musste. Es gab kein weiteres Vorzimmer.
    Dies waren nicht die königlichen Gemächer mit Vorzimmern, Audienzsälen und weiteren Vorzimmern zwischen der Wachstube und den privatesten Zimmern der Königin. Die Königin war nicht aus den Königsgemächern ausgezogen, und Eugenides hatte es augenscheinlich abgelehnt, in die Gemächer einzuziehen, die traditionell der Königin vorbehalten waren. Wenn er das getan hätte, wären seine Zimmer durch Türen mit den Königsgemächern verbunden gewesen, und nächtlicher Verkehr zwischen den Räumen wäre ein Gegenstand der Spekulation, aber keine öffentlich bekannte Tatsache gewesen. So jedoch konnte der König die Königin nicht aufsuchen, ohne erst zur allgemeinen Verlegenheit ein Zimmer voller Wachen und
Kammerherren zu durchqueren, einen Korridor entlangzugehen und auf demselben öffentlichen Wege an den Wachen und Kammerfrauen der Königin vorbei. Es war allgemein bekannt, dass das nie geschehen war. Der König suchte die Gemächer der Königin selten auf, und wenn, dann nur tagsüber. Die Königin ihrerseits war nie in diesen Räumen gewesen.
    »Du kannst gehen, wenn du möchtest, Costis«, rief der König aus dem inneren Zimmer. »Aber komm nicht zu spät, wenn heute Nachmittag Hof gehalten wird.«
    Die Tür schloss sich, und Costis stand verloren da. Er sah hilflos zu dem Leutnant, der ihn seinerseits abschätzig anstarrte. Er blickte über Costis Schulter hinweg die Veteranen in dem Trupp hinter ihm an. Costis stellten sich die Nackenhaare auf, als die Veteranen stumm ihren Bericht erstatteten. Vielleicht war er wohlwollend; der Leutnant lächelte und sagte Costis, dass er keinen Dienst mehr hätte.
    »Dann gehe ich einfach?«
    »Genau. Aber achte darauf, rechtzeitig zurückzukehren, um ihn von hier aus zur Nachmittagsaudienz zu begleiten. Ich sorge dafür, dass einer der Männer, die nachmittags Dienst haben, dir mitteilt, wo du im Audienzsaal Aufstellung nehmen musst.«
    Erst als Costis auf den Gang vor den Gemächern des Königs trat, fiel ihm

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