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Der Gebieter

Der Gebieter

Titel: Der Gebieter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan Whalen Turner
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habt.« Bevor Dite leugnen konnte, wandte der König sich an Teleus. »Ihr habt Wachen an den übrigen Eingängen stehen. Habt Ihr das Labyrinth geräumt?«
    Teleus nickte, und der König wandte sich wieder um.
    »Wir können uns unter vier Augen unterhalten, Dite.«
    »Ich weiß noch immer nicht worüber, Euer Majestät.«
    »Nun, zunächst einmal über die Fehler in Eurer Darstellung. Wisst Ihr, da gab es so einige. Ich bin sicher, Ihr werdet einen wahrheitsgetreuen Bericht geben wollen, wenn Ihr erst die Einzelheiten gehört habt.« Der König hielt inne, um sicher zu sein, dass er Dites volle Aufmerksamkeit hatte. Die hatte er. Er hatte die ungeteilte Aufmerksamkeit aller Männer, die ihn umstanden. »Sie hat geweint.«
    Dite wich zurück. »Euer Majestät, ich möchte …«
    »… das nicht hören? Warum nicht, Dite? Wollt Ihr es nicht in Eurem Lied erwähnen? Sie weinte in der Hochzeitsnacht . Darauf könnt Ihr doch sicher Reime finden? Geht mit mir spazieren, dann kann ich Euch mehr erzählen.«
    »Euer Majestät, bitte«, sagte Dite zitternd, »ich möchte lieber nichts mehr hören. Wenn Ihr mich nun entschuldigen wollt?« Der ganze Hof wusste, dass er in die Königin verliebt war. Das ganze Land wusste es. Er trat einen Schritt zurück, aber Teleus stand direkt hinter ihm und verstellte ihm jeden Fluchtweg.
    Der König legte den Arm, der in einem glänzenden Silberhaken endete, um Dites Rücken und schob ihn mit sanftem Nachdruck durch den Torbogen. »Geht mit mir spazieren, Dite«, beharrte er.
    Costis blieb bei den übrigen Gardisten zurück und atmete stoßweise durch die Zähne, die er so fest zusammengebissen hatte, dass es schmerzte.
    »Dreckskerl«, zischte irgendjemand hinter ihm.
    »Er sollte sich wirklich Sorgen darum machen, dass er ermordet werden könnte«, sagte ein anderer Mann.
    »Sachte«, mahnte Teleus.
    »Hauptmann …«, protestierte der Gardist.
    »Halt den Mund«, knurrte Teleus.
    Danach sprach niemand mehr.
    Dite und der König gingen eine halbe Stunde lang im Garten spazieren. Als sie zurückkehrten, wirkte Dite niedergeschlagen, aber erstaunlich gefasst.
    Sobald sie den Torbogen durchquert hatten, drehte er sich um und fiel vor Eugenides auf die Knie, der liebenswürdig sagte: »Steht auf, Dite.«
    »Danke, Euer Majestät.«
    »Esst Ihr morgen mit mir zu Mittag?«
    Dite, der verstohlen die Schmutzflecken auf den Knien seiner feinen Hose in Augenschein genommen hatte, schaute auf und lächelte. »Danke, Euer Majestät. Es wäre mir eine Ehre.«
    Der König lächelte. Dite lächelte. Sie trennten sich. Dite ging allein davon, und der König spazierte, gefolgt von seinen fassungslosen Gardisten, zur Terrasse zurück. Das Frühstücksgeschirr war abgeräumt. Die Königin war fort. Der Wind fegte über das leere Steinpflaster.
     
    Bis zum Ende des Tages hatte jeder im Palast erfahren, dass Dite zum König übergelaufen war. Costis ließ sich das, was er mit eigenen Augen gesehen hatte, wieder und wieder durch den Kopf gehen und konnte es doch nicht glauben. Er wollte gerade das Licht auf seinem Schreibtisch ausblasen, als er Schritte näher
kommen hörte. Er blickte von der Flamme auf und sah Aris in seinem Türrahmen lehnen.
    »Weißt du schon das Neueste?«, fragte Aris.
    »Ich war dabei«, sagte Costis. »Ich habe Dite selbst gesehen.«
    Aris verbesserte sich: »Also wohl nicht das Neueste. Fast das Neueste. Hast du gehört, was gestern beim Abendessen vorgefallen ist?«
    Costis schüttelte den Kopf. Aris erzählte, was er im Speisesaal aufgeschnappt hatte. »Wenn selbstherrliches Benehmen das ist, was deiner Ansicht nach einen König auszeichnet, dann weiß er, glaube ich, wie er vorgehen muss. Du denkst ja vielleicht, dass er nicht wie ein König zu handeln versteht, aber er glaubt, dass er es sehr wohl kann.«
    Aris erhielt nicht die Antwort, die er erwartet hatte.
    »Er hat mir diese Geschichte erzählt, Aris. An dem Abend, als ich dachte, dass sie mich aufhängen würden. Er sagte, seine Cousins wären noch schlimmer als meine, und dass sie ihn mit dem Gesicht unter Wasser gehalten hätten, bis er bereit war, seine Familie zu beleidigen. Er sagte«  – Costis hielt inne, um über das nachzudenken, was er selbst gerade sagte  – »dass er so etwas niemandem außer mir verraten würde. Ich nehme an, er dachte, dass ich am nächsten Tag tot sein würde.«
    »Davon hast du mir nichts erzählt.«
    »Nein, natürlich nicht«, sagte Costis. »Er hat es mir nur erzählt, weil er

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