Der Gebieter
kannte die Namen der Kammerfrauen und hatte nach und nach begonnen, diese Namen mit den Gesichtern zu verbinden, die er bei den Nachmittagsaudienzen oder beim Abendessen sah. Imenia war nicht die erste unter den Kammerfrauen der Königin, gehörte aber zu den dienstältesten.
Unsicher auf den Beinen, und das nicht nur, weil er den ganzen Tag noch nichts gegessen hatte, folgte er ihr zur Tür der Gemächer der Königin. Imenia nickte den Wachen auf dem Gang zu. Sie verwehrten Costis den Zutritt nicht und sahen ihn noch nicht einmal an. Irgendwie wirkten sie eindrucksvoller als die Männer, die den König beschützten. Hinter der Tür erstrahlte die Wachstube der Königin im Licht der Fenster oben unter der Decke. Der Raum war viel größer als die Wachstube des Königs und ganz in Holz getäfelt, das mit Intarsienbildern verziert war. Costis gaffte.
Er hatte geglaubt, die Gemächer des Königs bildeten den Gipfel aller Pracht, aber nun sah er diesen Raum, der noch nicht
einmal ein Audienzzimmer, sondern nur die Wachstube war. Das Geräusch seiner Stiefel auf dem nackten Boden erinnerte ihn daran, dass er nicht hier war, um die Wände zu bestaunen. Er reichte sein Schwert dem Gardisten, der darauf wartete, es ihm abzunehmen, und eilte Imenia nach, die nicht langsamer geworden war.
Sie ging durch eine der offenen Türen auf der gegenüberliegenden Seite der Wachstube und einen Flur entlang; dann bog sie in einen schmaleren Gang ab, der indirekt von dem Licht erhellt wurde, das durch die Fenster der Zimmer fiel, die von ihm abgingen. Imenia blieb an einer Tür stehen und winkte Costis hinein. Die Königin wartete im kleinen Audienzzimmer auf ihn. Ihr Stuhl war das einzige Möbelstück.
Die Königin musterte ihn gleichmütig und kam gleich zur Sache: »Was tut der König, wenn er sich ohne seine Kammerherren in sein Schlafzimmer zurückzieht?«
Costis wünschte sich, die Königin hätte ihm die Frage am Vortag gestellt, bevor er dem König versichert hatte, dass er nicht so tief sinken würde, Klatsch zu verbreiten. Er konnte beinahe hören, wie das, was Aris seine Ideale genannt hatte, wie ein Bündel Stöcke zu Boden polterte. Das hier war kein Klatsch – hier stellte seine Königin ihm eine direkte Frage oder forderte ihn vielmehr auf, ein Geheimnis des Königs zu verraten, der sein Herrscher war … oder stattdessen ein bocksfüßiger Emporkömmling, der den Thron gestohlen hatte. Costis dankte den Göttern dafür, ein reines Gewissen wahren und antworten zu können: »Ich weiß es nicht, Euer Majestät.«
»Weißt du es nicht, Leutnant, oder willst du es nicht verraten?«
»Ich weiß es nicht, Euer Majestät. Es tut mir leid.«
Die Königin sah nachdenklich drein. »Nichts?«
Costis schluckte.
»Willst du sagen, dass der König deines Wissens die ganze Zeit damit verbringt, dazusitzen, aus dem Fenster zu schauen und sonst nichts?«
»So ist es, Euer Majestät«, sagte Costis, erleichtert, dass es die Wahrheit war.
»Du kannst gehen.«
Costis trat rückwärts durch die Tür und ging auf dem Weg, auf dem er gekommen war, zurück in die Wachstube. Die Kammerfrau, die ihn hergeführt hatte, war nicht mehr zu sehen. Costis hielt den Kopf hocherhoben, aber er konnte das Gefühl nicht abschütteln, vor der Majestät der Königin davonzukriechen. So, sagte er sich, sollte eine Herrscherpersönlichkeit sein.
Eines Morgens sprach der Diener im Bad der Garde Costis an, während er ihm die Beinschienen umschnallte. »Ich habe einen Freund«, sagte er leise, »der gestern etwas gehört hat.«
Costis hielt, von seinem Tonfall vorgewarnt, die Stimme gesenkt. »Was hat er denn gehört?«
»Wie zwei Männer miteinander gesprochen haben. Ihr wisst ja, wie das mit den Tauchbecken ist – die Leute glauben, dass sie zu leise sprechen, als dass sie jemand belauschen könnte, aber plötzlich dringt einem jedes Wort, das sie sagen, geradewegs ins Ohr.«
»Ja«, sagte Costis. Jeder wusste, dass die Kuppeldächer der Bäder manchmal dafür sorgten, dass seltsame Echos in unerwarteter Entfernung zu hören waren. »Das ist mir auch schon passiert. Aber normalerweise ist das nur ein Veteran, der über die Mädchen redet, die er verlassen hat.«
»Die beiden haben nicht über Mädchen geredet.«
»Fahr fort«, sagte Costis.
»Gut, das tue ich«, sagte der Diener, »denn ich mache mir schon die ganze Zeit Gedanken darum und würde es gern weitergeben
und dann vergessen. Der eine fragte den anderen, ob alles gut
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