Der Gebieter
Palastes. Das Fenster ging in dieselbe Richtung hinaus wie das des Königs, und dort draußen bot sich, sommerhell und von der Dunkelheit des Treppenhauses umrahmt, derselbe Blick. Costis ging erst vorüber und stieg dann die Treppe noch einmal hinauf, um erneut hinzuschauen. Es waren nur die Dächer der niedrigeren Teile des Palasts, die Stadt und die Stadtmauer zu sehen. Dahinter lagen die Hügel jenseits des Tustis-Tals und der blassblaue Himmel darüber. Nicht das, was der König sah, war so wichtig, sondern das, was er nicht sehen konnte, wenn er am Fenster saß und das Gesicht Eddis zugewandt hielt.
Costis’ Herz zog sich mitfühlend zusammen. Er rief das schwache, verräterische Organ streng zur Ordnung, aber er konnte nicht vermeiden, sich daran zu erinnern, wie sein eigenes Heimweh ihm tagtäglich das Leben ausgesaugt hatte, als er damals den Bauernhof verlassen hatte. Sein erster Sommer in den Baracken war der schlimmste gewesen. Er war bis dahin sein Leben lang nie mehr als ein paar Meilen von zu Hause entfernt
gewesen, und so sehr er seine Cousins auch gehasst hatte, hätte er doch einen Monatssold darum gegeben, eines ihrer vertrauten Gesichter zu sehen. Das Heimweh war Stück für Stück verflogen, als er sich seine Stellung in der Garde erobert hatte, aber Costis erinnerte sich noch zu gut daran, als dass er es nicht auf dem Gesicht des Königs erkannt hätte, als er ihn so hoffnungslos aus dem Fenster hatte schauen sehen. Wie mochte es sein, zu wissen, dass man nie mehr nach Hause zurückkehren konnte? Die Berge zu verlassen, wo es, wie Costis gehört hatte, sogar im Sommer nicht wirklich heiß wurde, um an der Küste zu leben, an der es nur selten schneite? Kein Wunder, dass der König auf andere, elegantere Gemächer verzichtet hatte, um ein Schlafzimmer zu bekommen, dessen Fenster nach Eddis gerichtet war.
Na und? Costis stieg die Treppe wieder hinunter. Warum hätte es ihn kümmern sollen, wenn der König Heimweh hatte? Das hatte Eugenides sich selbst eingebrockt. Er hätte in Eddis bleiben sollen. Niemand wollte ihn in Attolia haben, nicht die Königin, gewiss nicht die Garde, auch nicht seine Kammerherren…
»Verdammt!« Costis blieb erneut stehen. Er hatte vergessen, dem König von Sejanus zu erzählen.
Es hätte keinen Zweck gehabt, umzukehren. Er fluchte leiser und ging weiter die Treppe hinunter.
Kapitel 7
Als Costis in sein Zimmer zurückkehrte, fand er dort Aristogiton, der übers ganze Gesicht lächelnd auf ihn wartete.
»Ich bin entlassen worden«, sagte Costis, der nicht in der Stimmung für Scherze war, geradeheraus, während Aristogiton gleichzeitig verkündete: »Ich bin befördert worden.«
Beide sagten: »Was?«
»Ich bin entlassen worden«, sagte Costis noch einmal.
»Also hast du ihm von Susa erzählt, und nicht nur von der Königin?«
»Ja.«
»Und er hat dich rasend vor Zorn hinausgeworfen.«
»Nein. Er hat sich bei mir entschuldigt und mir sehr höflich mitgeteilt, dass ich gehen dürfte.«
»Entschuldigt?«
»Liebenswürdig.«
»Der Dreckskerl!«
Costis nickte zustimmend. »Ich hasse ihn.«
»Also ist es dir nicht gelungen, ein Körnchen Selbstachtung zurückzugewinnen?«
»Nein«, sagte Costis. »Nicht einmal ein Krümelchen in Größe eines Weizenkorns oder auch nur eines Sandkorns. Wenn er zornig gewesen wäre, wenn er mich in irgendeine Hölle in Thrakien geschickt hätte …«
»Dann hättest du den Eindruck gehabt, es zu verdienen, und es wie ein Mann ertragen. Du weißt aber doch, dass du, wenn du dich absichtlich von Susa hättest kaufen lassen, ein völlig ehrloser, aber glücklicher Schurke sein könntest, der sich an seinem Silber ergötzt, nicht wahr?«
»Ich habe das Geld auf dem Weg hierher auf dem Miras-Altar zurückgelassen.«
Aris stöhnte.
»Tut mir leid, ich verderbe dir deine guten Nachrichten. Du bist befördert worden?«
»Ich bin mit meinem ganzen Trupp«, sagte Aristogiton, »in die Dritte Zenturie befördert worden. Morgen trete ich meinen neuen Dienst an.«
»In die Dritte? Du wirst im Palast Dienst tun?«
»Ich bin dem König zugeordnet.« Aris lächelte über Costis’ Unglauben. »Ich habe mich schon darauf gefreut, zuzusehen, wie er dich demütigt.«
»Aber das ist unmöglich! Du kannst für die Art Beförderung doch gar nicht infrage kommen.«
»Herzlichen Dank für dein Urteil über meinen Ruf.«
Costis lächelte. »Ich bitte demütig um Entschuldigung. Ich bin ein Schwein. Ganz offensichtlich gehörst du in die
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