Der Gebieter
hatte sich entspannt und war herabgeglitten, so dass freilag, was der sorgfältig gebündelte Stoff bisher verborgen hatte.
Ein Messer hatte die Tunika von einer Seite bis zur anderen aufgeschlitzt. Als die Stoffränder sich voneinander lösten, erkannten die, die am Bett standen, wie viel Blut ungesehen im Hosenbund des Königs versickert war. Die Wunde war keine bloße Schramme in der Seite des Königs. Sie begann in der Nähe des Bauchnabels und führte quer über seinen Bauch. Wenn der Bauchraum geöffnet war, würde der König binnen weniger Tage an einer Entzündung sterben.
Er hätte etwas sagen sollen – warum hat er das nicht getan? , fragte sich Costis. Aber in gewisser Weise hatte das der König sehr wohl. Er hatte sich bei jedem einzelnen Schritt auf dem Weg durch den Palast beklagt, und sie hatten es ignoriert. Wenn er beherrscht gewesen wäre und die Schmerzen ignoriert hätte, dann hätte im ganzen Palast bereits Panik geherrscht und die eddisischen Soldaten wären vorgerückt. Er hatte sie täuschen wollen, und das war ihm gelungen. Costis fragte sich zum ersten Mal, wie viel ein stoischer Mensch wirklich verbergen will, wenn er vergeblich so tut, als hätte er keine Schmerzen.
Dem König musste das Schweigen aufgefallen sein. Er öffnete die Augen. Alle anderen starrten seinen Unterleib an; Costis beobachtete sein Gesicht. Als er sah, wie Eugenides sich besorgt im Zimmer umschaute, bis sein Blick an jemandem an der Tür hängen blieb, begriff Costis, dass er weder den Palast hatte täuschen, noch die Eddisier hatte ruhig halten wollen. Es kümmerte ihn nicht weiter, ob im Palast Panik ausbrach. Es gab nur eine Person, vor der er das Ausmaß seiner Verletzungen hatte verbergen wollen: die Königin.
Costis sah, wie er sich zusammenriss, als sie ans Bett herantrat. So unmöglich es auch war, er versuchte tatsächlich, selbstzufrieden
dreinzublicken. »Siehst du?«, fragte er, immer noch seiner Rolle getreu. »Ich habe dir doch gesagt, dass ich an der Schwelle des Todes stehe«, aber er narrte sie alle nicht mehr, weder Costis noch die Königin. Die Augen der Königin waren zu Schlitzen verengt, die Hände zu Fäusten zusammengekrampft. Sie war nicht erschrocken; sie war erzürnt. Jetzt konnte er sie nicht mehr mit der Behauptung beruhigen, dass seine Wunde nichts Ernstes sei. Costis sah ihn beinahe zusammenzucken. Der König öffnete den Mund, um zu sprechen.
»Sie ist nicht sehr tief«, sagte der eddisische Botschafter von der anderen Seite des Betts. Er beugte sich mit kritischer Miene über die Wunde und wirkte ein wenig enttäuscht. Eugenides ließ sich nicht lange bitten.
Sein Kopf wirbelte herum. »Sie ist … zu … tief!«, beharrte er empört.
Die Kammerherren blickten erst entsetzt, dann erheitert drein.
»Euer Majestät«, sagte Ornon in herablassendem Ton, »ich habe Euch schon tiefere Schrammen mit einer Gewandnadel abbekommen sehen.«
»Verdammt ungeschickt mit der Gewandnadel«, murmelte einer der Kammerherren.
»Ich habe sie nicht gegen mich selbst gerichtet«, blaffte der König. Er wandte sich wieder dem Botschafter zu. »Ich habe diesen kleinen Augenblick entsetzter Aufmerksamkeit genossen, Ornon.«
»Vergebt mir, Euer Majestät«, erwiderte Ornon, »aber ich glaube, Ihr wart dem Tode schon näher als jetzt.«
Der König schaute zur Königin hoch, die – über Ornons Einschätzung so erleichtert, wie sie über die des Königs nie gewesen wäre – immer noch verärgert auf ihn herabsah. »Das bezweifle ich«, sagte sie. »Ich könnte dir selbst den Bauch aufschlitzen.«
»Ich habe doch gesagt, dass ich …« Der König brach ab, um vor Zorn und Schmerz aufzuschreien, und alle bis auf die Königin zuckten zusammen. »Was im Namen aller Götter ist das?«, rief der König.
Der Arzt, der nervös einen blutigen Tupfer umklammert hielt, erklärte: »Es ist eine Mischung aus Branntwein und u… unverzichtbaren Kräutern.«
»Das tut weh, du Blutegel! Ich habe doch nicht Galen, diesen Dreckskerl von einem Folterknecht, in den Bergen zurückgelassen, damit du es ihm gleichtust!«
»Es tut mir so leid, Euer Majestät, aber das hier w… wird eine Entzündung verhindern.«
»Das sollte es auch lieber, wenn so wehtut – und du solltest mich besser warnen, bevor du noch mehr an mir herumtupfst.«
»Das werde ich, Euer Majestät«, sagte der Arzt und wischte die Wunde vorsichtig mit einem sauberen Tuch ab.
»Wenn du damit fertig bist, sie zu bewundern, kannst
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