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Der Gebieter

Der Gebieter

Titel: Der Gebieter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan Whalen Turner
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Ellbogen zu ergreifen und sie noch näher heranzuziehen.
    Der König hob die Hand an ihre Wange und küsste sie. Es war kein Kuss zwischen Fremden, noch nicht einmal ein Kuss zwischen Braut und Bräutigam. Es war ein Kuss zwischen einem Mann und seiner Frau, und als er vorüber war, schloss der König die Augen und lehnte die Stirn gegen die Schulter der Königin, wie jemand, der auf eine Atempause hoffte, jemand, der nach einem langen Tag endlich nach Hause gekommen war. »Ich hatte die Gärten nicht durchsuchen lassen«, sagte er. »Es tut mir leid.«
    Costis bemerkte, dass ihm der Mund offen stand, und schloss ihn. Er konnte nicht zurücktreten, ohne den Arm des Königs von der Schulter gleiten zu lassen, aber er konnte in eine andere Richtung blicken, und so tat er das. Er sah den Hof an, auf dem sich Leute drängten, denen sogar noch später als ihm auffiel, dass ihnen der Mund offen stand. So viele Reihen fassungsloser
Gesichter. Costis hätte lachen können, war dazu aber selbst immer noch zu erschüttert.
    »Es tut mir leid, wenn ich dich erschreckt habe«, sagte Attolia leise.
    »Du hast mich nicht erschreckt«, sagte Eugenides. »Du hast mir eine Höllenangst eingejagt.«
    Attolia presste die Lippen zusammen. »Das solltest du nicht laut zugeben«, tadelte sie ihn.
    »Es ist doch kaum zu leugnen«, erwiderte Eugenides. Costis konnte ihn lächeln hören.
    »Bist du schwer verwundet?«
    »Entsetzlich«, sagte der König, ohne auch nur im Geringsten verletzt zu klingen. »Ich bin entdärmt. Mein Inneres könnte binnen eines Augenblicks zu meinem Äußeren werden, während ich noch hier vor dir stehe, und niemand würde es auch nur bemerken.« Er griff erneut nach oben, um ihr Gesicht zu berühren, und versuchte, die blutigen Fingerabdrücke wegzuwischen, die er hinterlassen hatte, machte sie aber nur noch schlimmer. »Meine schöne Königin. Dein ganzer Hofstaat starrt dich an, und ich kann es ihm nicht verdenken.«
    So war es in der Tat. Die Königin sah sich um. Ihr Blick fuhr durch die Menge wie eine Erntesichel durchs Korn. Überall wurden hastig Münder zugeklappt. Ein Rascheln ertönte, als die Leute weiter hinten sich regten und versuchten, vor diesem Blick in Deckung zu gehen. Die Königin sah wieder den König an, der breit grinste.
    »Wo sind deine Kammerherren?«, fragte sie. Sie sah zum ersten Mal Costis an und musterte dann plötzlich die anderen Soldaten. »Wo sind deine Wachen?«
    »Bei Teleus«, antwortete Eugenides rasch. »Costis und die anderen hier waren günstigerweise gerade in der Nähe. Ich habe die anderen zurückgelassen, damit sie aufräumen.«
    »Aha. Aber du solltest dennoch nicht hier stehen.« Sie winkte einen Gardisten heran. »Heb ihn hoch.«
    »Ich glaube, ich gehe lieber«, sagte der König.
    »Vielleicht eine Trage?«, schlug die Königin unschuldig vor. »Dann könntest du dich hinlegen.«
    »Wie Oneis, der vom Schlachtfeld getragen wird? Wohl kaum«, sagte Eugenides. Sein Arm drückte gegen Costis’ Nacken, und sie nahmen die Treppe in Angriff.

Kapitel 8

    Sie legten den König auf sein Bett. Die Menschenmenge war ausgedünnt, seit sie in den inneren Palast übergewechselt waren, und als sie die letzte Treppenflucht erreicht hatten, hatte der König sich von seinen Gardisten tragen lassen. Er hatte ihnen Faulheit vorgeworfen, weil sie es nicht früher vorgeschlagen hatten. Als Costis ihn vorwurfsvoll angesehen hatte, hatte er gesagt: »Hör auf, mich mit dem bösen Blick zu bedenken, Costis, ich bin todeswund. Ich habe etwas Rücksicht verdient.«
    Im Zimmer drängten sich plappernde Menschen. Die, denen die Einzelheiten des Mordversuchs bekannt waren, gaben weiter, was sie wussten. Die Gardisten formierten sich unter dem Befehl des Leutnants, der in der Wachstube gewesen war. Die Königin stand in der Nähe der Tür und sprach mit einer ihrer Kammerfrauen, die der Königin die blutigen Fingerabdrücke des Königs von der Wange rieb. Die letzten paar Mitläufer, die sich an den verschiedenen Türen an den Wachen vorbeigeredet hatten, standen in der Wachstube und hofften, auch noch von den dort postierten Gardisten durchgelassen zu werden. Nach und nach fiel jedoch die Stille um das Bett allen auf.
    Sogar der König war stumm. Erschöpft und erleichtert lag er schlaff und still da. Die Haut spannte sich straff über seinen Wangenknochen. Das Haar klebte ihm schweißgetränkt im Gesicht, und er hatte die Augen geschlossen. Seine Hand, die seine
Tunika umklammert hatte,

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