Der Gebieter
unbeholfen auf der ersten Stufe. Er sog scharf die Luft ein.
Costis streckte die rechte Hand aus, um ihn noch besser zu stützen; seine Besorgnis musste ihm vom Gesicht abzulesen sein.
»Hoffst du, darum herumzukommen, diese Becher zu bezahlen?« , fragte der König.
Costis zog die Hand ruckartig zurück, und der König lachte.
»Miniaturen?«
»Große«, sagte Costis stur.
»Um zu verhüten, dass mir jemand wehtut? Denn das hier« – er hielt inne, um Atem zu holen – »tut ganz schön weh.«
»Ich bin mir nicht sicher. Ich glaube, ich habe darum gebetet, dass Ihr in Sicherheit sein würdet, Euer Majestät.«
»Das ist mehrdeutiger.« Eugenides dachte nach. »Ich müsste sterben, um dich von dem Gelübde zu erlösen.«
»Ich werde die Becher besorgen, Euer Majestät.«
Der König schüttelte den Kopf. »Du würdest den Rest deines Lebens damit verbringen, sie abzuzahlen.«
Costis würde die Schuld nie abzahlen. Er wäre lieber in die Hölle marschiert, aber die Möglichkeit stand nicht zur Wahl.
Seltsam, dass man jemandem zugleich treu ergeben und so wütend auf ihn sein konnte. »Ich werde sie besorgen«, sagte Costis schlicht.
»Costis, ich bin sprachlos.«
»Davon merkt man aber nichts, Euer Majestät.« Sein ganzes Leben, von dem er die letzten zwei Wochen über gehofft hatte, dass es neu beginnen würde, war ihm wieder genommen. Er wünschte, der König hätte ihn nicht ausgelacht.
Sie gingen am Spiegelteich entlang. In den Seerosen war ein großes, schwarzes Loch, wo Teleus hineingefallen war. Das Wasser, das an ihm gehaftet hatte, als er aus dem Becken geklettert war, war auf die Umrandung getropft und trocknete nun in der Sonne. Eine zerquetschte Seerose hing über die Kante ins Wasser. Eugenides setzte zögernd neu an: »Da du das Gelübde meinetwegen abgelegt hast, könnten wir die königliche Schatzkammer bitten, die Schuld zu begleichen.«
Zehn Goldbecher würden dem königlichen Schatzmeister kaum auffallen. Costis schluckte.
»Habe ich dich gekränkt? Das wollte ich nicht.«
Costis schüttelte den Kopf. »Nein, Euer Majestät. Danke, Euer Majestät.«
»Welcher Göttin sollen wir sie weihen?«
»Philia.«
Sie war eine attolische Göttin und gehörte nicht zu Eugenides’ Göttern. »Ich verstehe. Ich nehme an, es schadet nichts, sich beliebt zu machen, wo man nur kann. Man weiß ja nie, wer einen rettet, wenn man zu hoch hinauswill.«
Costis glaubte an seine Götter, betete zu ihnen und brachte ihnen Opfer dar, aber Eugenides sagte man nach, dass er nicht nur an seine Götter glaubte, sondern auch mit ihnen sprach und sie antworten hörte. Die Vorstellung behagte Costis nicht. Die Götter mochten ja im Zeitalter der Legenden auf Erden gewandelt
sein, aber ihm war es lieber, sich vorzustellen, dass sie sich nun sicher auf ihren Altären aufhielten.
»Natürlich nur unter der Bedingung, dass ich überlebe«, sagte der König. »Vielleicht gelingt mir das nicht.« Er seufzte. »Wahrscheinlich lebe ich nicht einmal mehr lange genug, mein Schlafzimmer wiederzusehen.« Wenn das ein Todeskampf ist, dann nur ein gespielter , dachte Costis und war davon überzeugt, als sie die kleine Treppe am anderen Ende des Spiegelteichs erreichten. Niemand, der an der Schwelle des Todes steht, hat die Kraft, Schimpfwort auf Schimpfwort zu häufen, wie um einen Schichtkuchen aus Obszönitäten zusammenzustellen, von der untersten Stufe bis ganz nach oben.
Er machte sich größere Sorgen, als die Schritte des Königs in der Nähe des Jagdhofs schleppender wurden und die Verzögerung nicht von Flüchen oder Beschwerden begleitet war. Dann hörte er Stimmen auf sich zukommen und begriff, dass der König nicht vor Schmerzen langsamer geworden war, sondern weil er bemerkt hatte, dass sie Gesellschaft bekommen würden.
Die Menschenmenge kam über die Blumenbeete getrampelt: Gardisten, Adlige und Diener.
Eugenides stieß einen Laut aus. Costis neigte den Kopf, um ihn zu verstehen.
»Grr, grr, wau, wau, wuff, wuff«, murmelte der König.
Sie waren bald umzingelt. Stimmen hämmerten aus allen Richtungen auf sie ein, und Gesichter drängten sich eng heran. Hände, deren Besitzer Costis nicht sehen konnte, versuchten, den König fortzuziehen. Costis hielt dagegen, und der König schrie empört auf. Costis fragte sich, ob irgendwo im Getriebe ein Mann verborgen war, der das Werk vollenden würde, das die Meuchelmörder begonnen hatten.
»He!«, sagte er laut zu einem gutgekleideten Mann mittleren
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