Der Gebieter
Bett des Königs hinterlassen hatte. Er schmetterte dem König mit gespreizten Fingern die Hand ins Gesicht und drückte ihn schwungvoll ins Kissen. Die Hand noch immer fest im Gesicht des Königs, beugte er sich zu ihm und brüllte ihm ins Ohr: »Der Königin geht es gut!«
Eugenides wurde still. Die Männer ums Bett herum erstarrten ebenfalls.
»Irene?«, rief der König.
»Sie ist ohnmächtig. Das ist alles«, sagte Ornon leiser. »Es ist viel Blut geflossen. Sie ist eine Frau und hat sich aufgeregt. Das ist keine überraschende Reaktion.«
Costis schaute auf die Frau in seinen Armen hinab. Sie hatte einen Namen. Sie hieß Irene. Er hatte nie daran gedacht, dass sie noch einen Namen außer Attolia hatte, aber natürlich war sie nicht nur eine Königin, sondern auch eine Person. So, wie sie in seinen Armen lag, fühlte sie sich überraschend menschlich und weiblich an. Plötzlich wurde Costis seine Bürde unbehaglich, und er war erleichtert, als Hilarion sie ihm aus den Armen nahm und sie in die Wachstube trug. Ihre Kammerfrauen folgten ihm wie Glucken.
Costis stand auf.
Auf dem Bett regte sich Eugenides ruhelos. »Der Anblick von Blut soll sie aufgeregt haben?«, fragte er. »Doch nicht meine Frau, Ornon.«
»Der Anblick Eures Blutes«, erklärte der Botschafter. Eugenides sah den Haken an seinem Arm an und musste zugeben, dass Ornon recht hatte. »Ja«, sagte er. Er schien Erinnerungen
nachzuhängen. Es war still im Zimmer. Costis gelangte mühsam zu einem neuen Verständnis von König und Königin und wusste, dass es allen anderen im Raum ebenso ging, vielleicht mit Ausnahme des Arztes, der, Nadel und Faden in der erhobenen Hand, besorgt auf Anweisungen wartete.
»Mach schon«, sagte der König. Er schien es kaum zu bemerken, als der Arzt wieder mit dem Nähen begann. Er blickte zur Tür, zur Königin, sprach aber den eddisischen Botschafter an: »Ornon, ich glaube, ich beschränke mich in Zukunft darauf, meinen Arzt aus der Fassung zu bringen.«
Kapitel 9
»Euer Majestät«, flüsterte Costis.
Eugenides schlug die Augen auf und wandte den Kopf auf dem Kissen. Costis kniete neben dem Bett. Das Zimmer war dunkel. Das einzige Licht fiel durch die offene Tür des Schlafzimmers an den Wachen vorbei, die dort in Habachtstellung standen. Sie hatten Costis ungefragt durchgelassen, als hätten sie ihn gar nicht gesehen. Sie wussten, warum er hier war.
Der König blinzelte.
»Euer Majestät, es tut mir leid, dass ich Euch aufwecke, aber ich glaube, nur Ihr könnt mir helfen.«
»Wie spät ist es?«, fragte der König heiser.
»Es ist die Hundewache, eine Stunde vor der Morgendämmerung.«
»Also früh«, murmelte der König, »nicht spät.«
»Euer Majestät, sie wird sie alle hinrichten lassen!«
»Alle? Wen?« Seine Augen glänzten fiebrig.
»Den Hauptmann, meinen Freund Aris und seinen ganzen Trupp. Sie hat sie gestern Abend verhaften lassen, nachdem sie Euch hier alleingelassen hatte, und hat gesagt, dass sie heute Morgen hingerichtet werden.«
»In einer Stunde?«
»Euer Majestät, sie hat den dienstältesten Leutnant zum Hauptmann befördert, aber die Männer sagen, dass sie nicht unter
ihm dienen werden.« Er fuhr eilig fort: »Wenn Ihr sie aufhalten könnt, Euer Majestät, könnt Ihr das bitte tun? Aris wusste nicht um die Gefahr, das schwöre ich Euch. Er dachte, der Garten wäre sicher.«
»Warum bist du nicht früher gekommen?«
»Ihr habt geschlafen. Sie haben Euch Lethium verabreicht.«
Mühsam löste der König die Hand aus den Bettlaken. »Ich erinnere mich daran«, sagte er. »Ich wollte es nicht. Es sorgt immer dafür, dass ich mich fühle, als wäre ich tot gewesen.« Er rieb sich das Gesicht. »Hat sie sie schon vorführen lassen?«
»Noch nicht«, sagte Costis.
»Aha.«
»Euer Majestät, bitte.«
»Costis, ich kann nicht öffentlich ihre Befehle widerrufen.«
»Aber sie würde auf Euch hören«, flehte Costis.
»Unter vier Augen täte sie das vielleicht. Wenn noch Zeit wäre. Aber sie ist erzürnt, Costis. Ich wusste, dass sie es sein würde.«
Costis senkte den Kopf. Er hatte binnen eines Tages so viele unmögliche Dinge geschehen sehen, dass er auf noch eines gehofft hatte.
»Warte«, sagte der König. »Warte nur.« Er verdrehte den Kopf. »Ist da Wasser? Lethium lässt einen knochentrocken werden.«
Costis goss ihm einen Becher voll ein und schenkte noch zweimal nach, nachdem der König ihn geleert hatte. Eugenides hatte sich mühsam aufgesetzt, um zu trinken. Er
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