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Der Gebieter

Der Gebieter

Titel: Der Gebieter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan Whalen Turner
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die Hunde loszulassen, ausgeschickt hat, und auch, wer von Euch Tinte auf meinen Lieblingsmantel geschüttet hat.« Als er beim Sprechen einen Kammerherrn nach dem anderen anschaute, war nicht zu übersehen, dass er es tatsächlich wusste. Wenn sie vorher bekümmert gewirkt hatten, starrten sie ihn nun mit einem Ausdruck an, der Entsetzen sehr nahekam. Nur Sejanus gelang es, weiterhin zugleich selbstgefällig und erheitert dreinzublicken. An ihn wandte sich der König zuletzt. »Und ich weiß, wer das Quinalum ins Lethium gemischt hat, Sejanus.«
    Sejanus lächelte nur von oben herab. »Dafür könnt Ihr keinen Beweis haben, Euer Majestät.«
    »Ich brauche keinen Beweis, Sejanus.«
    »Den braucht Ihr, wenn Ihr nicht wollt, dass sämtliche Barone den Aufstand proben. Eure absolute Macht reicht nur so weit, wie die Barone es zulassen, bevor sie sich gegen Euch erheben. Gar nicht zu reden davon, dass jedes Mitglied des Rats der Barone Rechenschaft darüber verlangen kann, wie der König einen seiner Untertanen behandelt. Wenn eine Mehrheit der Barone dafür stimmt, wird Euer Urteil aufgehoben, und wenn Ihr keinen Beweis habt, wird genau das geschehen.«
    »Natürlich geht es, wenn der betreffende Untertan bereits hingerichtet worden ist, nur darum, ob eine Entschädigungszahlung geleistet werden muss.«
    Sejanus hielt seinem Blick stand. »Ich glaube nicht, dass Ihr so weit gehen würdet, Euer Majestät. Es fällt den Baronen nicht leicht, einen Ausländer als König zu dulden. Wenn Ihr sie noch weiter bis aufs Blut reizt, werden sie rebellieren, eddisische Garnisonen hin oder her.«
    »Oh, ich könnte gefahrlos so weit gehen, wie ich will, ohne irgendjemanden bis aufs Blut zu reizen. Ihr könnt mir nicht erzählen,
dass Ihr ernsthaft annehmt, dass Euer Vater auch nur einen Finger rühren würde, um Dite zu helfen.«
    »Dite?« Sejanus wirkte überrascht und schüttelte den Kopf.
    »Über wen reden wir denn sonst? Ich habe ihn gestern in mein Schlafzimmer vorgelassen. Ich habe ihm Vertrauen geschenkt, und er hat versucht, mich zu vergiften. Wer sonst hätte es sein können? Etwa Themis? Oder vielleicht ihre Schwester? Heiro ist ein bisschen zu jung, um politische Morde zu verüben, meint Ihr nicht? Ich brauche nicht mehr Beweise, als ich schon habe, Sejanus. Ich kann ihn heute noch verhaften lassen, und das werde ich tun. Ich kann ihm heute Abend Stück für Stück die Gliedmaßen abschlagen lassen. Wir werden ja sehen, wie viele schlaue Lieder er ohne Hände und ohne Zunge noch singen oder spielen kann.«
    Sejanus schüttelte immer noch langsam den Kopf.
    »Eurem Vater wird das gleichgültig sein. Er wird mir dafür danken, ihn von einer Schande von einem Erben befreit und den Weg für Euch freigemacht zu haben, damit stattdessen Ihr erben könnt.« Er lächelte. »Euch wird das doch auch nichts ausmachen, nicht wahr? Wir wissen ja alle, wie sehr Ihr Euren Bruder hasst. Während Ihr, Sejanus, mein lieber Freund seid, den ich bei mir behalten werde, selbst wenn ich jeden anderen Kammerherrn hinauswerfen sollte.«
    Sejanus wurde blass. Sein verächtliches Lächeln schwand. »Ich habe das Lethium vergiftet«, sagte er plötzlich mit Nachdruck.
    »Was?« Der König zog eine Augenbraue hoch, als hätte er nicht recht gehört.
    »Ich habe das Quinalum ins Lethium gemischt. Ich habe einen Freund, der Priester ist. Er hat das Pulver besorgt, und ich habe es gestern ins Lethium gemengt.«
    Der König fragte: »Aber warum hättet Ihr das tun sollen?«
    »Ich hasse Euch«, antwortete Sejanus, als würde er aus einem
Theaterstück rezitieren. »Ihr habt kein Recht auf den Thron von Attolia.«
    Der König blinzelte erstaunt.
    »Ich bedaure sehr, dass es Euch nicht umgebracht hat«, sagte Sejanus giftig. »Ich dachte, ich hätte genug hineingetan, um ein Pferd zu töten.«
    »In dem Fall werde ich Euch wohl verhaften lassen.«
    »Gut, Euer Majestät.« Sejanus war wieder so herablassend wie eh und je.
    »Und Euren Bruder.«
    »Nein!«
    »Ihr habt gestanden. Ich bin mir sicher, dass ein bisschen Überredungskunst Euch dazu bringen wird zu enthüllen, dass er Euer Komplize war.«
    »Mein Bruder hatte nichts damit zu tun. Ich habe allein gehandelt. Ganz allein.«
    Der König sah auf die Bettdecke hinab, fuhr mit der Hand über den besticken Stoff und sagte nichts. Das Schweigen zog sich in die Länge.
    Sejanus schluckte. Als er noch einmal schluckte, schluckte er damit auch seinen Stolz hinunter. Vor den Augen der anderen

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