Der Gebieter
trat ein und ließ sich in einen Sessel sinken. Der König rutschte langsam zurück, verzog das Gesicht und lehnte sich gegen das Kopfende des Bettes.
Zwei Kammerfrauen der Königin waren ihr ins Zimmer gefolgt: Chloe und Iolanthe. Alle Kammerherren des Königs bis auf Sejanus waren geblieben, und auch Costis, der noch immer unbeholfen neben dem kleinen Sessel stand. Der Raum war voller Menschen.
»Achtundneunzig Tage«, sagte die Königin und faltete im Schoß die Hände. »Du hast gesagt, es würde sechs Monate dauern.«
Eugenides zupfte an einer Noppe der Bettdecke. »Wenn möglich habe ich gern etwas Luft vor einem Termin.«
»Ich habe dir nicht geglaubt«, gestand die Königin mit einem zarten Lächeln.
»Jetzt bist du eines Besseren belehrt worden.« Der König erwiderte ihr Lächeln. Sie hätten genauso gut allein sein können.
Die Königin wandte den Kopf, um zu lauschen. Aus der Wachstube war Geschrei zu hören. Costis spannte sich an. Seine Hand fuhr zu seinem Gürtel und suchte vergeblich nach seinem Schwert.
»Das wird Dite sein«, sagte der König. »Er muss in den vorderen Gemächern gewesen sein. Ich kann ihn genauso gut empfangen.«
Die Königin stand auf und zog sich hinter den bestickten Wandschirm vor dem Kamin zurück. Ihre Kammerfrauen entfernten sich. Die Kammerherren des Königs blieben und verdauten die Tatsache, dass ihr hilfloser, unfähiger König seiner Frau versprochen hatte, innerhalb von sechs Monaten das Haus Erondites zu vernichten, und nur achtundneunzig Tage dafür gebraucht hatte.
Als Dite flankiert von zwei Wachen zur Tür hereinkam, war er so blass, wie sein Bruder es gewesen war, als er gegangen war. Er fiel vor dem Bett des Königs auf die Knie, sah aber nicht zu Boden. Er starrte dem König ins Gesicht, suchte nach Antworten.
»Ich habe Euch gewarnt«, sagte der König in gleichmütigem Ton.
»Ja, Euer Majestät.«
»Und ich habe Euch angewiesen, Euren Bruder zu warnen.«
»Ich weiß, Euer Majestät. Das habe ich auch getan. Obwohl ich nicht geglaubt habe, was Ihr mir erzählt habt – aber warum sollte mein Bruder versuchen, Euch zu vergiften?«
»Das hat er nicht getan«, sagte der König, und als Dite ihn fassungslos ansah, erklärte er: »Er hat nur gestanden, um Euch
zu schützen. Er dachte, Ihr hättet das Quinalum ins Lethium gemischt.«
»Das war ich nicht!«, protestierte Dite.
»Nein«, sagte der König. »Ich war es.«
»Warum?«, fragte Dite hilflos. »Warum?«
»Ich habe das ekelhafte Zeug gar nicht getrunken«, blaffte der König. »Dite, ich brauche kein Quinalum, um Albträume zu haben; sie kommen von ganz allein. Die Götter schicken sie mir, damit ich demütig bleibe.«
Er war nicht im Geringsten demütig, und wenn Costis sich je gewünscht hatte, dass er wie ein König aussehen möge, war sein Gebet erhört worden. Er fand den Anblick verstörend.
»Also hat sich mein Bruder keines Verbrechens schuldig gemacht?«
»Oh doch, er hat sich eines Verbrechens schuldig gemacht – nur nicht des Verbrechens, das er gestanden hat. Er hat aber jeden einzelnen meiner Kammerherren zu sträflichem Fehlverhalten verführt, überredet oder gezwungen.« Er ließ den Blick über die Männer gleiten. »Und er hat sich mit Eurem Vater verschworen, dafür zu sorgen, dass sie alle, bis auf ihn selbst, entlassen würden, damit ich neue Kammerherren berufen könnte, die Baron Erondites mehr zugesagt hätten. Natürlich mit Sejanus’ Hilfe, und mit der einer Mätresse, die der Baron für mich ausgewählt hatte. Nur habe ich leider immer mit ihrer Schwester getanzt, die, nebenbei bemerkt, wunderhübsche Ohrringe trägt.«
»Ich verstehe«, sagte Dite zögernd.
»Nein, Ihr versteht nicht. Ich habe es auch erst nicht verstanden. Denn Sejanus sollte ja nicht nur meine Kammerherren korrumpieren, sondern sich zugleich bei mir unentbehrlich machen, was er unbestreitbar und mehr als eindeutig nicht getan hat. Euer Vater wollte mich schön in die Falle locken. Euer Bruder wollte mich töten. Er stand auf einem Balkon über den
Gärten und hat die Attentäter dorthin gelenkt, wo sie mich finden würden.«
»Aber Ihr hattet keinen Beweis dafür?«
»Keinen, den ich ans Tageslicht bringen wollte.«
»Also habt Ihr dem Lethium Quinalum beigemengt und ihn dazu gebracht, das zu gestehen.«
»Ja. Wäre es Euch lieber, dass ich ihm nun, da ich ihn habe verhaften lassen, ein Geständnis des Verbrechens abringe, das er tatsächlich begangen hat?«
Dite hob
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