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Der Gedankenleser

Der Gedankenleser

Titel: Der Gedankenleser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Domian
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ihrer Mutter, und offiziell bin ich mit ein paar Kollegen unterwegs. Ich habe immer ein Alibi.«
     

    Ich hätt heut so gerne noch einen Kerl. Aber hier ist ja nix zu holen.
     

    »Wie ist das denn mit dir?«, fragte er. »Was macht dein Sexleben? Auch verheiratet?«
    »Nein, lebe getrennt von meiner Frau. Bin hetero und zurzeit solo.«
     

    Soll ich ihn vielleicht doch angraben? Ist besser als nix. Werd ihn schon rumkriegen. Aber er macht mich null an.
     

    »Schon mal Sex mit einem Typen gehabt?«, fragte er.
    »Nee, noch nie. Könnte ich mir auch nicht vorstellen.«
     

    Ob das stimmt? Warum ist er dann hier in diesem Schuppen?
     

    »Im Moment interessieren mich nicht einmal Frauen. Habe überhaupt keine Lust auf Sex«, sagte ich.
     

    Na super. Dann kann ich Resteficken auch vergessen ...
     

    »Bist du scharf? Willst du noch jemanden abschleppen?«, fragte ich.
    »Kann sein.«
    »Wenn ich du wäre, hätte ich ein schlechtes Gewissen meiner Frau gegenüber.«
     

    Du bist aber nicht ich. Du Hirni. Und ich hab kein schlechtes Gewissen. Ich tu doch so viel für sie und für die Kiddies. Einen besseren Ehemann könnte Ingrid gar nicht haben.
     

    »Kümmer du dich um dein Gewissen!«, knurrte er mich an.
    »Schon okay, ich will dir nicht reinreden. Wie lange machst du das denn schon mit den Kerlen?«
    »So lange, wie ich verheiratet bin. Zehn Jahre.«
    »Zehn Jahre? Und wie oft hast du Sex mit einem Typen?«
     

    Das ist doch scheißegal. Wen interessiert das? Niemanden. Und überhaupt, ist doch gar nicht so oft.
     

    »Ein-, zweimal im Monat.«
    »Seit zehn Jahren?«
    »Klar. Es ist geil, ab und zu einen Kerl zu riechen.«
     

    Und das hat mit Ingrid überhaupt nichts zu tun. Das sind komplett andere Welten ... Ich fass ihm jetzt mal zwischen die Beine. Hab keine Lust mehr auf Quatscherei.
     

    Ich traute meinen inneren Ohren nicht - und schon war es passiert. Thomas hatte tatsächlich beherzt zugegriffen und ließ gar nicht mehr los.
    »He«, sagte ich, »lass gut sein. Ich steh nicht drauf.« Und dann stieß ich seine Hand mit einem energischen Schubs weg.
     

    Egal. Einen Versuch war's wert.
     

    »Jetzt zier dich nicht so. Weißt ja gar nicht, was dir entgeht.«
    »Und so soll es auch bleiben! Hast du schon oft von Männern einen Korb bekommen?«
     

    Du Arsch. Die Kerle stehen auf mich.
     

    »Wahrscheinlich nicht öfter als du von Weibern.«
    »Oh, hast du eine Ahnung. Mein Selbstwertgefühl ist in dieser Hinsicht verbeult wie ein altes Auto. Hatte zwar viele Frauen in meinem Leben, habe aber auch eine ganze Menge Abfuhren einstecken müssen.«
     

    Wundert mich gar nicht.
     

    »Kann ich mir gar nicht vorstellen«, sagte er mit einem süßlichen Grinsen.
     

    Ich versuch's nochmal.
     

    Und noch bevor ich reagieren konnte, spürte ich schon seine Hand auf meiner Hand. Er streichelte auf eine Art und Weise, wie ich es von Frauen nicht kannte. Rauer, fester, fordernder.
    »Zum letzten Mal: Lass mich in Ruhe. Ich hab keinen Bock auf dich!«, sagte ich gereizt - und drehte mich von ihm weg.
     

    Dann sauf ich mich jetzt zu.
     

    »Verklemmter Spießer!«, raunzte er mich an.
    »Ich glaube, das bist eher du! Wer führt denn ein Doppelleben? Wer betrügt seine Frau? Wer steht nicht zu seiner Sexualität? Wer von uns beiden ist denn wohl die feigere Socke?«
    Er sagte nichts. Er dachte nichts. Dafür nahm ich in meinem Inneren ein immer tiefer werdendes Schwarz wahr. Thomas geriet in Zorn. Und ich kam in Fahrt.
    »Was machst du eigentlich beruflich?«, fragte ich ihn.
    Nach kurzer Pause sagte er: »Lehrer. Erdkunde und Sport, Oberstufe!«
    »Na, hervorragend! Da spielst du im normalen Leben den braven, sportbegeisterten Ehemann, verkaufst dich als netten Schwiegersohn, hast wahrscheinlich ein Reihenhaus mit Vorgarten, bist Beamter - und in der Schule starrst du den jungen Kerlen auf den Arsch und treibst dich nachts in Spelunken herum, um heimlich Männer aufzureißen. Toll! Und wer hat gerade das Wort ›Spießer‹ gebraucht?«
     

    Das muss ich mir nicht anhören. Der soll vor seiner eigenen Haustür kehren. Ich lass meine Ehe und mein Leben von dem nicht in den Dreck ziehen.
     

    »Willst du eine in die Fresse?«, sagte er drohend.
    »Dafür bist du viel zu besoffen, du Flasche.«
    »Du Flasche« hätte ich nicht sagen sollen, das gebe ich zu. Aber er hatte mich wütend gemacht, und so war mir diese Beleidigung herausgerutscht. Was dann geschah, habe ich nur noch verschwommen in

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