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Der gefährliche Drache

Titel: Der gefährliche Drache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Atherton
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abzubringen.
    »Die frühesten ritterlichen Zweikämpfe erwuchsen aus einer ziemlich blutigen Angelegenheit, Buhurt genannt«, fuhr sie fort. »Ein Buhurt war eine inszenierte Schlacht, in der Fußsoldaten und Ritter in Rüstung brutal auf ihre Gegner trafen. Ein Buhurt dauerte meist so lange, bis eine Seite die andere unterworfen hatte.«
    »Warum diese Extreme, wo es doch nur gespielte Schlachten waren?«, fragte ich.
    »Sie dienten der Übung. Die Ritter wollten auch zwischen den wirklichen Kriegen ihre Kampfkünste trainieren, aber bei diesen Kämpfen wurden so viele getötet oder verletzt, dass man die Turniere schließlich verbot. Später wurden sie zu neuem Leben erweckt, sowohl als eine Form königlicher Unterhaltung als auch als Einkommensquelle für die Ritter. Den Sieger lockte ein Preisgeld, außerdem wurden neue Regeln aufgestellt, die regelrechtes Abschlachten untersagten.«
    »Wie zivilisiert«, bemerkte ich.
    »Heutzutage ist der Tjost sehr viel sicherer«, sagte Lilian in vertraulichem Ton. »Moderne Ritter benutzen zerbrechliche Lanzen und studieren die Kämpfe Mann gegen Mann sorgfältig ein. Ich bin sicher, Calvin hat geübte Darsteller angeheuert. König Wilfred möchte seine Kirmes schließlich nicht durch ein Blutvergießen beflecken.«
    »Das sollte man meinen.« Gedanken an einen Sabotageakt zuckten durch meinen Geist, doch ich überging sie, indem ich eine Frage stellte, die mich schon eine geraume Weile beschäftigte: »Kennst du den Unterschied zwischen einem Pagen und einem Schildknappen?«
    »Das Alter«, antwortete Lilian, indem sie unwissentlich Tante Dimitys Vermutung unterstützte. »Die jungen Söhne adeliger Familien wurden an benachbarten Höfen Pagen. Dort lernten sie ritterliche Fertigkeiten wie Benehmen und Reiten. Wenn ein Page das Alter von ungefähr vierzehn Jahren erreicht hatte, konnte er Schildknappe werden und einem bestimmten Ritter dienen. Ein Knappe wiederum konnte zum Ritter geschlagen werden, wenn es sich seine Familie leisten konnte, denn das war mit erheblichen Kosten verbunden. Falls nicht, blieb der Knappe womöglich bis zu seinem Lebensende Knappe. Oh, schau nur!« Sie deutete auf das große weiße Zelt. »Knappen!«
    Zwei Teenager in aufeinander abgestimmten Tuniken, Strumpfhosen und federgeschmückten Kappen rollten auf der Stirnseite des Zelts die Bahnen hoch und banden sie mit Seilen fest. Gleichzeitig erklang Lord Belvederes Stimme knackend und nahezu unverständlich über die Lautsprecher.
    »Ah«, sagte ich und nickte weise. »Es ist schließlich eine mittelalterliche Lautsprecheranlage.«
    »In meinen Ohren klingt sie sehr modern«, sagte Lilian. »Diese Honigkuchen sind köstlich«, fügte sie hinzu. »Hast du übrigens das Rezept bekommen?«
    Ich lächelte ironisch. »Ich muss erst den König fragen. Offensichtlich hütet er die Rezeptschatulle der Kirmes.«
    »Morgen nach der Kirche werde ich ein Wörtchen mit Horace Malvern sprechen«, sagte Lilian. »Der Onkel des Königs müsste doch eigentlich in der Lage sein, uns das Rezept zu beschaffen.«
    Unsere Unterhaltung wurde durch lebhaften Applaus unterbrochen.
    »Hurra«, rief Lilian strahlend. »Die Zwillinge kommen!«
    Wie es der Frau eines Pfarrers geziemte, blieb sie gesittet sitzen. Ich jedoch sprang auf und applaudierte stürmisch, als ein Zug aus Reitern aus dem Zelt auftauchte und in beherztem Trab um den Turnierplatz ritt. Rob und Will, jeder ein Banner in der Hand, auf dem ein sich aufbäumendes Einhorn zu sehen war, geleiteten Sir Peregrine den Reinen auf den Kampfplatz, während Alison und Billy mit Drachenbannern Sir Jacques de Poitiers eskortierten.
    Ich war hingerissen von dem Spektakel. Die Brustharnische der Ritter glänzten, ihr langes Haar floss herrlich über ihre Rücken, während sie mit prahlerischer Siegesgewissheit auf ihren Rössern saßen, die gestreiften Lanzen himmelwärts gerichtet. Die vier Kinder grinsten stolz, als sie mich erblickten; winken konnten sie nicht, hatten sie doch keine Hand frei.
    Obwohl die Menge keinen Zweifel ließ, dass ihre Gunst Sir Peregrine galt, war ich mir ziemlich sicher, dass die Kinder ihren jeweiligen Rittern nach rein dekorativen Gesichtspunkten zugeordnet worden waren. Die grauen Ponys der Zwillinge harmonierten mit dem Schlachtross von Sir Peregrine, einem schneeweißen Schimmel, während die dunkleren Ponys ihrer Teamkameraden besser zu dem Rappen des Drachenritters passten.
    Angestachelt von mehreren derben Bauernmädchen, die sich

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