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Der Gefundene Junge

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Titel: Der Gefundene Junge Kostenlos Bücher Online Lesen
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enthielt ungefähr ein Dutzend wurmartige Dinger; sie leuchteten alle leicht gelb, orange und rot, während sie vereinzelte Blätter und Pilze fraßen. Umber ließ sich gegenüber von Happenstance im Schneidersitz nieder und benutzte sie dabei als Lichtquelle. »Glimmerwürmer«, erklärte er und hielt das Glas schräg. »Also, Hap – wenn du erlaubst, dass ich dich so nenne? Happenstance ist so lang.«
    Hap zuckte die Achseln. »Mir egal.« Weder der eine noch der andere Name hatte für ihn eine Bedeutung oder fühlte sich vertraut an. Er schaute zu dem Gang, in dem die anderen warteten. »Würden Sie mir bitte eine Frage beantworten? Was ist mit meinen Augen?«
    Umber lächelte. »Das ist eins von den Dingen, die ich besprechen wollte. Mit deinen Augen ist nichts falsch, Hap. Aber Augen wie diese sind mir noch nie begegnet, und ich habe schon viel gesehen. Sie haben einen ungewöhnlichen hellen Grünton. Und hier im Dunkeln funkeln sie geradezu.« Er stellte das Glas mit den Glimmerwürmern vor sich auf den Boden und stützte die Ellbogen auf die Knie.
    Â»Und wegen dieses großen Typen, wegen Oates, möchte ich mich bei dir entschuldigen, Hap. Er – wie erkläre ich das? – er leidet unter einem Zwang. Er muss aussprechen, was ihm geradeim Kopf herumgeht, immer, und mit hundertprozentiger Aufrichtigkeit. Manchmal muss er sich selbst einen Maulkorb verpassen, ob du es glaubst oder nicht, und zwar zu seinem und unserem Besten. Dieser Zwang – nun ja, in Wirklichkeit ist es ein Fluch, mit dem er gestraft wurde; aber das erkläre ich dir ein andermal – dieser Zwang macht ihn jedenfalls zu einem absolut vertrauenswürdigen Diener. Andererseits sorgt er auch dafür, dass es manchmal unerträglich ist, ihn um sich zu haben. Eine ständige Ehrlichkeits-Diät ist, offen gesagt, niemandem zu empfehlen. Dadurch kann man es sich innerhalb einer Woche mit sämtlichen Freunden verderben.«
    Hap nickte. Er fragte sich, ob alle Menschen so merkwürdig waren wie dieses Trio.
    Â»Wie ich höre, hast du einen Brief bei dir?«, sagte Umber und wackelte auffordernd mit den Fingern.
    Hap klopfte seine Jacke und seine Hose ab, fand aber nichts. Der Umhang , dachte er. Er hob das triefnasse Kleidungsstück vom Boden auf, strich mit den Händen darüber und stieß auf eine Tasche in seinem Innenfutter. Darin steckte eine kurze Schriftrolle. Sie war eng zusammengerollt und mit einem grünen Wachsklecks versiegelt. Unter dem Siegel stand in dunkelbrauner Tinte:
    Nur für Umbers Augen bestimmt
    Â»Dieses Siegel kenne ich irgendwoher. Siehst du die Buchstaben, WN? Die standen auch schon auf der Schriftrolle, die mich hergeführt hat«, erklärte Umber und klopfte auf die Tasche, in die er das Schriftstück gesteckt hatte. »Darf ich?« Er streckte die Handaus. Hap schaute die Rolle einen Moment an und reichte sie dann an Umber weiter.
    Â»Faszinierend«, sagte Umber. Er schnupperte an der Schriftrolle und spähte an einer Seite hinein. »Weißt du, wer dieser Mann war, der eben mit uns gesprochen hat?«
    Hap zuckte die Achseln. »Ich weiß nicht mal, wer ich bin.«
    Eine von Umbers Augenbrauen hüpfte nach oben. »Das ist ebenfalls faszinierend. Nun, dann lass mich mal sehen.« Er brach das Siegel, indem er mit dem Finger unter den Rand des Pergaments fuhr. Dann entrollte er es und schaute eine Weile darauf, während sich hin und wieder seine Lippen bewegten und Worte formten. Über sein Gesicht huschten Andeutungen verschiedener Gefühle. Er wirkte erst amüsiert, dann überrascht und allmählich wurde er blass. Er leckte sich die Lippen, als wäre sein Mund trocken geworden.
    Â»Was steht da?«, fragte Hap und reckte den Hals.
    Â»Das sage ich dir im Moment noch nicht, wenn du erlaubst«, erwiderte Umber. »Ich würde gern eine Weile …« Er brach ab und starrte erneut auf das Pergamentpapier.
    Â»Was?«, sagte Hap. »Stimmt irgendetwas nicht?«
    Umber hielt den Brief mit den Nägeln von Daumen und Zeigefingern an gegenüberliegenden Ecken fest. »Komisch. Das Pergament fühlt sich warm an. Fast zu warm, um es in der Hand zu behalten.« Von dem Papier stiegen kleine Rauchfahnen auf. Umber versuchte, sie auszupusten, doch plötzlich ging der ganze Brief in Flammen auf. Umber schrie auf und ließ ihn los. Das Papier sank

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