Der Gefundene Junge
die Mündung der Bucht und trieb in rhythmischen Attacken die Wellen in den Hafen. Sie stürmten gegen Kurahaven an wie feindliche Armeen und brachen sich donnernd am Ufer. Der Hafen begann unter dem Ansturm zu zerfallen; Stege kippten und zersplitterte Planken tanzten auf den Schaumkronen. Zwei der gröÃten Schiffe hatten sich aus ihrer Vertäuung losgerissen und rammten immer wieder gegen die Kaimauer.
Auch an dem Damm am Fuà der Treppe, der Aerie mit Petraportus verband, brachen sich die Wellen. An einem ruhigen Tag konnte man gefahrlos über die Steine klettern, die von dem eingestürzten Turm übrig geblieben waren, doch jetzt stiegen die Brecher bis zur Kante und überspülten die Gesteinsbrocken mit Tonnen wogender schwarzer See. Schaum und Wasser liefen zischend durch die Lücken ab, bevor die nächste Welle brach.
Manchmal lag zwischen zwei Wellen kaum eine Sekunde, manchmal waren es aber auch mehrere. Hap versuchte, die Intervalle einzuschätzen. Mit grimmiger Miene stellte er fest, dass auf eine längere Pause stets eine gröÃere, noch todbringendere Wasserwand folgte. Aber ich könnte es schaffen , dachte er. Niemand auÃer ihm konnte es, das wusste er, doch seine Heuschreckenbeine gaben ihm eine Chance. Sicher hatte Occo, der Widerling, das Gleiche gedacht. Er wollte verhindern, dass Hap Freunde mitbrachte, die ihm halfen. Vor allem Oates , dachte Hap.
Er stand am Ende des Damms. Mit seinen vom Regen durchnässten Kleidern fühlte er sich doppelt schwer. Petraportus erhob sich drohend über ihm; der übrig gebliebene Turm sah beängstigend schief aus. In seinen obersten Fenstern leuchtete noch immer das schwache Licht.
Auf der anderen Seite des Ãbergangs standen die geborstenen Fundamente des eingestürzten Ostturms. In der Mitte, wo die Wand eingebrochen war, befand sich ein breiter Riss. Wenn er es bis dorthin schaffte, war er in Sicherheit.
Hap beobachtete die hereinkommenden Wellen. Die beiden nächsten folgten dicht aufeinander, aber danach kam eine gröÃere Lücke. Dann laufe ich los , dachte Hap, vor der dritten Welle . Sein Herz pochte wild in seiner Brust. Er stellte sich vor, wie er von einer dieser Wellen erfasst wurde, wie ihn Tonnen von Wasser in die Tiefe rissen und dort festhielten, bis sein Mund sich öffnete und das schwarze Wasser in seine Lungen eindrang.
Die erste Woge donnerte gegen den Steindamm. Die zweite erhob sich und brach sich schwer an den Felsbrocken. Jetzt!
Hap rannte, so schnell es ging, ohne dass er auf den nassen Steinen ausrutschte. Er sprang zu einem groÃen Felsblock hinüber, landete auf beiden FüÃen und hüpfte weiter. Ãberall standenLachen von schwarzem Wasser, das durch die Ritzen ablief, und als er mit dem Fuà in einer Pfütze landete, rutschte er zwischen zwei Steine. Hap zerrte seinen Fuà frei, während er aus dem Augenwinkel schon den nächsten Wasserberg aufsteigen sah. Nicht hinfallen , schrie eine Stimme in seinem Kopf. Auf keinen Fall durfte er stürzen, denn er wusste, auÃer seinem eigenen stand noch ein weiteres Leben auf dem Spiel.
Die Welle erhob sich mit einem Wusch! An ihrem höchsten Punkt schien sie innezuhalten; der Wind lieà nach und das Geräusch des Sturms wurde merkwürdig leise. Weil diese Welle so groà ist, dass sie alles abschirmt , erkannte Hap. Der Riss im Fundament schien meilenweit entfernt. Im Windschatten der Welle, die ihn zu ertränken drohte, sprang er los und schoss über die nassen Steine hinweg, als sie brach. Hap hätte seine rechte Hand ausstrecken und sie berühren können. Sein Fuà setzte auf einem Stein auf, und er stieà sich noch einmal ab.
Die Welle krachte auf den Damm. Unter dem Tosen des schwarzen Wassers und grauen Schaums war nichts mehr davon zu sehen. Hap fühlte, wie Spritzer der Welle auf seine Schulter trafen, als er durch den Mauerspalt des eingestürzten Turms flog und auf allen vieren landete. Er spürte jeden einzelnen wilden Schlag seines Herzens. Vorsichtig tastete er nach den wertvollen Dingen in seinen Manteltaschen. Alles war noch da.
Er befand sich in einem runden Raum ohne Dach, umgeben von unregelmäÃigem Mauerwerk. Der Regen prasselte immer noch auf ihn herab, doch vor den Wellen war er jetzt in Sicherheit. Gegenüber der Stelle, durch die er hereingekommen war, erblickte er einen Torbogen, der in einen gröÃeren Raum führte.Er kletterte
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