Der Geheimcode
»Die reinsten Nervenbündel.«
* * *
Drei Stunden später, nach einer kompletten Leibesvisitation und mehreren Anrufen beim Gemeindepriester seiner Heimatstadt, ließen sie Mokassin gehen. Mulch wartete bereits auf ihn in dem zuvor organisierten Mietwagen, einem Spezialfahrzeug mit höher gelegtem Gas- und Bremspedal.
»Dein Jähzorn ist nicht gerade förderlich für unseren Auftrag«, bemerkte der Zwerg mit Unschuldsmiene. »Ich werde Miss Frazetti anrufen müssen, wenn du dich nicht zusammenreißen kannst.«
»Fahr«, sagte der Eisenmann heiser. »Bringen wir die Sache hinter uns.«
»Also gut. Aber das ist deine allerletzte Chance. Noch ein solcher Zwischenfall, und ich sehe mich gezwungen, deinen Schädel mit meinen Zähnen zu zermalmen.«
Zum ersten Mal bemerkte Mokassin die Zähne seines Partners. Sie ähnelten Grabsteinen aus massiver Emaille, und es waren verdammt viele für einen einzigen Mund. Konnte es sein, dass Digence tatsächlich imstande wäre, seine Drohung in die Tat umzusetzen? Nein, sagte sich Mokassin. Er war nur ein bisschen gestresst von dem Verhör am Flughafen. Dennoch, das Lächeln des Zwergs kam ihm seltsam vor. Ein Funkeln lag darin, das von verborgenen, unheilvollen Fähigkeiten sprach. Fähigkeiten, die der Eisenmann lieber nicht kennen lernen wollte.
* * *
Mulch übernahm das Fahren, während Mokassin per Handy mehrere Anrufe erledigte. Es war für ihn eine Kleinigkeit, ein paar alte Kollegen zu kontaktieren und dafür zu sorgen, dass eine Waffe mit Schalldämpfer und eine Funksprechanlage in einer Reisetasche hinter dem Ausfahrtschild Richtung Fowl Manor bereitgelegt wurden. Mokassins Partner akzeptierten sogar die Zahlung mit Kreditkarte, so dass sie sich das Machogehabe schenken konnten, das normalerweise bei solchen Schwarzmarktgeschäften fällig war.
Mokassin überprüfte während der Weiterfahrt die Mechanik und Zielvorrichtung der Waffe. Er hatte das Gefühl, wieder alles im Griff zu haben.
»So, Mo«, sagte er und kicherte, als sei dieser simple Reim der beste Witz, den er je gerissen hatte. Was er leider auch war. »Hast du schon einen Plan?«
Mulch hielt den Blick auf die Straße gerichtet. »Nö. Ich dachte, du wärst hier der Obermacker. Pläne sind deine Sache. Ich kümmere mich nur ums Einbrechen.«
»Allerdings. Ich bin der Obermacker, und glaub mir, Master Fowl wird das schon kapieren, ehe ich mit ihm fertig bin.«
» Master Fowl?«, fragte Mulch mit gespielter Ahnungslosigkeit. »Wir sollen uns ein Kind schnappen?«
»Nicht irgendein Kind«, enthüllte Mokassin entgegen seinem Befehl. »Artemis Fowl, den Erben des Fowl'schen Verbrecherimperiums. Er hat was in seinem Kopf, das Miss Frazetti haben will. Und wir sollen dem kleinen Hosenscheißer klar machen, wie wichtig es ist, dass er mit uns kommt und es ausspuckt.«
Mulchs Hände schlossen sich fester um das Lenkrad. Er hätte schon eher etwas unternehmen müssen. Doch der Punkt war nicht, Mokassin auszuschalten, sondern Carla Frazetti davon zu überzeugen, dass sie kein weiteres Team losschickte.
Artemis wusste bestimmt einen Ausweg. Er musste mit dem Jungen sprechen, bevor Mokassin es tat. Alles, was er brauchte, waren ein Handy und ein Abstecher zum Klo. Zu dumm, dass er sich nie ein Handy angeschafft hatte, aber bisher hatte es niemanden gegeben, den er hätte anrufen wollen. Außerdem konnte man bei Foaly nie vorsichtig genug sein. Der Zentaur konnte eine zirpende Grille orten.
»Wir sollten uns was zu essen besorgen«, sagte Mokassin. »Es könnte Tage dauern, bis wir den Kasten ausbaldowert haben.«
»Nicht nötig. Ich kenne die Anlage. Ich bin da vor Jahren schon mal eingestiegen. Das mach ich mit links.«
»Und wieso rückst du erst jetzt damit raus?«
Mulch zeigte dem Lastwagenfahrer, der sich vor ihnen auf dem Mittelstreifen breit machte, den Stinkefinger. »Du weißt doch, wie das ist. Ich arbeite auf Provisionsbasis, und die Provision richtet sich nach dem Schwierigkeitsgrad. Sobald ich sage, dass ich den Laden schon kenne, kürzen sie mir das Honorar um zehntausend.«
Mokassin widersprach nicht. Es stimmte. Man übertrieb immer den Schwierigkeitsgrad, um ein paar Scheine mehr aus seinem Auftraggeber herauszuquetschen. »Du kannst uns also da reinbringen?«
»Ich kann mich da reinbringen. Und dann lasse ich dich rein.«
Mokassin war misstrauisch. »Wieso kann ich nicht einfach mit dir kommen? Das wäre doch viel einfacher, als am helllichten Tag draußen
Weitere Kostenlose Bücher