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Der geheime Auftrag des Jona von Judaea

Titel: Der geheime Auftrag des Jona von Judaea Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
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Dann zog er seine rechte Hand weg. Und beide beugten sie sich vor, um im schwachen Licht des Mondes zu sehen, welche Seite obenauf lag.
    »Kopf«, brummte Jona missmutig. »Du hast gewonnen.«
    Timon grinste ihn an. »Ich habe doch gleich gesagt, dass besser ich das übernehme... sozusagen als der Ältere von uns beiden!«
    »Gut, dann hole ich eben das Seil aus dem Hof!«
    Die Frage, die ihm im selben Moment durch den Kopf ging, die er aber nicht auszusprechen wagte, war, ob er dazu überhaupt Gelegenheit bekommen würde. Denn bevor er sich hinunter in den Hof schleichen konnte, gab es für sie mehr als eine tödliche Gefahr zu überstehen.

4
    Stunde um Stunde in der stickigen Dunkelheit auf der Strohmatte zu liegen und zu warten zehrte an Jonas Nerven. Doch noch mehr setzte ihm die Angst zu, sie könnten irgendwann den Kampf gegen die aufsteigende Müdigkeit verlieren und einschlafen. Wenn das geschah, wurde ihr ganzer Plan zunichte!
    Angespannt lauschte er in die Dunkelheit des äußerst niedrigen Raumes, den er sich als Schlafquartier mit den anderen Schuldsklaven des Gutsbesitzers teilte - und mit dessen Unteraufseher Henoch, der seine Schlafmatte vor der Tür ausgerollt hatte. Niemand konnte die Schlafkammer im Obergeschoss betreten oder verlassen, ohne dass Henoch es bemerkte, denn die Tür ging nach innen auf.
    Jona konnte sich glücklich schätzen, einen Schlafplatz in unmittelbarer Nähe des einzigen Fensters ergattert zu haben. Durch die Öffnung, die kaum mehr als anderthalb Ellen in der Breite und wohl gerade mal zwei Ellen in der Höhe maß, konnte er den aufsteigenden Mond im Blick behalten. Die Position der silbrig milchigen Scheibe am Firmament sagte ihm die Nachtstunde so genau, wie es auch eine Sanduhr nicht besser vermocht hätte.
    Viel hing davon ab, dass sie recht genau wussten, wie weit die Nacht schon fortgeschritten war. Denn erst wenn sie sicher sein konnten, dass die Karawanserei in tiefem Schlaf versunken war, konnten sie ihren Fluchtversuch wagen. Deshalb hatten sie ausgemacht, erst zwei Stunden nach Mitternacht zu handeln.
    Die abendlichen Gebete, das schläfrige Geflüster, das Seufzen, das schwere, kummervolle Durchatmen, das Scharren von Füßen, das Rascheln von Stoff - all diese vertrauten Geräusche, die das Einschlafen einer vielköpfigen Gemeinschaft stets begleiteten, waren längst verstummt. Auch von unten aus dem Innenhof drangen keine Stimmen mehr nach oben. Und sogar das laute Zirpen der unzähligen Zikaden, die Akibas Karawanserei bei Einbruch der Dunkelheit zu belagern schienen, hatte sich inzwischen gelegt. Gleichmäßiges Atmen und unterschiedlich starkes Schnarchen erfüllten die Dunkelheit.
    Mehrmals fielen Jona die Augen zu. Glücklicherweise schreckte er jedoch jedes Mal schon nach wenigen Sekunden wieder auf. Das Erschrecken, kurz vom Schlaf übermannt und beinahe von ihm festgehalten worden zu sein, hielt ihn dann wieder eine ganze Weile mit heftigem Herzklopfen hellwach.
    Quälend langsam kroch der Mond, der in wenigen Tagen seine letzte kleine Delle im perfekten Rund verloren haben würde, auf seiner Bahn über den Nachthimmel von Judäa.
    Und dann war es endlich so weit!
    Vorsichtig richtete sich Jona auf seiner Matte auf. Mit dem Gedanken, dass die Stunde der Entscheidung gekommen war, fiel jegliche Schläfrigkeit von ihm ab. Mit geschärften, angespannten Sinnen starrte er in die Dunkelheit, nahm die Geräusche um sich herum auf und blickte angestrengt zu Timon hinüber. Während alle anderen Henochs Nähe nicht nur wegen seines fauligen Atems, sondern vor allem wegen seiner Boshaftigkeit gemieden und so viel Platz wie möglich zwischen sich und dem Aufseher gelassen hatten, hatte Timon seinen Schlafplatz in kühler Berechnung ganz in seiner Nähe gewählt.
    Jona zögerte einen Moment. Dann hob er beide Hände hoch und führte sie über seinem Kopf zusammen, als würde er sich strecken. Damit gab er das verabredete Zeichen, dass die vereinbarte Stunde gekommen war.
    Mit bangem Herzklopfen starrte er in die Richtung von Timons Schlafplatz und wartete auf das vereinbarte Antwortzeichen, dass sein Gefährte bereit war. Und gleichzeitig fragte er sich, was er tun sollte, wenn nun Timon eingeschlafen war und damit sein Zeichen gar nicht sah.
    Seine Angst erwies sich als unbegründet, denn schon im nächsten Augenblick machte er hinten in der Finsternis bei der Tür eine schemenhafte Bewegung aus. Er sah die Silhouette einer Gestalt, die sich aufsetzte und sich

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