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Der geheime Auftrag des Jona von Judaea

Titel: Der geheime Auftrag des Jona von Judaea Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
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streckte. Es war niemand anders als Timon.
    Er war bereit!
    Nun galt es, die Nerven zu bewahren und nicht den geringsten Fehler zu machen!
    Jona streifte seine Sandalen ab, rollte sie zusammen mit seinem Kopftuch und der Kordel behutsam in seinen Mantelumhang, der ihm wie allen einfachen Leuten nachts als Decke diente, klemmte sich die Kleiderrolle unter den linken Arm und schlich auf Zehenspitzen durch die Reihen der Schlafenden zu Timon hinüber.
    Auch Timon hatte indessen seinen verschlissenen Umhang zusammengerollt. Kopftuch und Kordel befanden sich jedoch nicht wie bei Jona in der Rolle, sondern lagen griffbereit neben der löchrigen Strohmatte.
    Bevor Jona sich neben Timon kniete und seine Kleiderrolle ablegte, warf er einen langen, prüfenden Blick auf die Gestalt des Aufsehers. Henoch lag mit dem Gesicht zur Tür. Er hatte sich auf die linke Seite gedreht und kehrte ihnen damit den Rücken zu. Er schnarchte durchdringend. Besser hätten sie es sich nicht wünschen können. Blieb nur noch zu hoffen, dass er gleich die Nerven behielt und nicht in Panik geriet.
    »Du weißt, was du zu tun hast, Jona?«, raunte Timon ihm ins Ohr. Er hielt schon das Messer in der Hand.
    Jona nickte. »Wenn du so schnell bist wie ich, haben wir nichts zu befürchten. Und was kann uns auch schon groß passieren, wenn es schief geht?«, sagte er mit einem Anflug von Galgenhumor, der ihn selbst am meisten überraschte. Er klemmte sich Timons Kordel und Kopftuch zwischen die Zähne und nahm dann dessen Mantelrolle auf.
    Timon gab ein fast tonloses Auflachen von sich. »Ja, viel steht wirklich nicht auf dem Spiel. Nur dass wir gewiss bis aufs Blut ausgepeitscht werden, wenn uns die Flucht misslingt!«
    Jona bleckte die Zähne und nickte nur, weil er mit dem Tuch und der Kordel im Mund nicht sprechen konnte.
    »Also dann, versuchen wir unser Glück!« Timon ballte die Linke zur Faust und gab ihm damit einen kaum merklichen, freundschaftlichen Stoß vor die Brust, als wollte er ihm und sich selbst Mut machen.
    Henoch lag nur wenige Schritte von ihnen entfernt. Lautlos bewegten sie sich auf ihn zu. Jona schlug das Herz im Hals, und sein Mund fühlte sich wie ausgetrocknet an, während sie sich an den schlafenden Aufseher heranschlichen. Die Mantelrolle hielt er nun in beiden Händen.
    Als sie über dem Schlafenden kauerten, tauschte Jona einen letzten stummen Blick mit seinem Schicksalsgefährten.
    Timon nickte.
    Und dann ging alles blitzschnell.
    Timon fasste Henoch mit der linken Hand an der Schulter, drehte ihn auf den Rücken, zog ihm das Messer aus dem Gürtel und setzte ihm die Klinge seiner eigenen Waffe an den Hals.
    Im selben Moment, als Henoch auf dem Rücken zum Liegen kam, dabei aus dem Schlaf auffuhr und verstört die Augen aufriss, presste ihm Jona die Mantelrolle mit aller Kraft auf den Mund, um jeden Laut aus seiner Kehle zu ersticken.
    »Bleib still liegen, wenn dir dein Leben lieb ist, Henoch!«, zischte Timon ihm drohend zu. »Du hast mein Messer am Hals! Wenn du auch nur einen Laut von dir gibst oder bloß mit dem Finger zuckst, steche ich dich ab wie ein Stück Schlachtvieh!«
    Der Aufseher erstarrte. Jona glaubte, trotz der Dunkelheit Todesangst in Henochs Augen lesen zu können.
    »Zum Zeichen, dass du mich verstanden hast, schließt du jetzt die Augen!«, forderte Timon ihn auf. »Und du hältst sie so lange geschlossen, bis ich dir sage, dass du sie wieder aufmachen kannst!«
    Henoch schloss die Augen und hielt sie wie verlangt geschlossen. Hektisch sog er die Luft durch die Nase ein. Der schnelle Rhythmus, in dem sich seine Brust hob und senkte, verriet die Angst, die ihn erfasst hatte.
    »Ich sehe, wir verstehen uns. Du hast also gute Chancen, nicht an deinem eigenen Blut zu ersaufen, sondern mit dem Leben davonzukommen«, raunte Timon ihm mit einer Mischung aus grimmiger Genugtuung und Warnung zu. »Mein Freund wird dir jetzt gleich einen Knebel verpassen und dich fesseln. Und du wirst nicht einen Ton von dir geben und dich auch nicht von der Stelle rühren! Vergiss nicht für eine Sekunde, dass es ganz bei dir liegt, ob du den nächsten Sonnenaufgang noch erlebst oder ob dich Berechja morgen irgendwo da draußen verscharren lässt! Handlanger von deiner Sorte sind leicht und billig zu ersetzen. Wenn du die Dummheit begehst, Alarm schlagen zu wollen, schneide ich dir die Kehle durch, das schwöre ich!«
    Jona schluckte, denn er hatte das beklemmende Gefühl, dass Timon mit seiner Drohung tatsächlich Ernst

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