Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der geheime Auftrag des Jona von Judaea

Titel: Der geheime Auftrag des Jona von Judaea Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
Vom Netzwerk:
sich über das Wunder bei Betsaida lang und breit Gedanken zu machen. Er war sich aber trotz des vielen Grübelns nicht schlüssig geworden, was er letztendlich davon und von den Reden des Jesus halten sollte, so beeindruckend dessen Ausführungen auch gewesen waren. Zweifellos besaß der Nazoräer Macht über Dämone und vermochte Wunder zu vollbringen. Aber das hatten andere vor ihm auch schon getan, ohne dass sich dadurch im Land Israel am Lauf der Dinge und den herrschenden Machtverhältnissen auch nur irgendetwas verändert hätte. Und da er zu keinem endgültigen Urteil über Jesus hatte kommen können, war er zu dem Entschluss gelangt, dass er gut beraten war, diese Angelegenheit besser auf sich beruhen zu lassen und sich nicht weiter den Kopf darüber zu zerbrechen.
    Außerdem: Was ging ihn das Ganze überhaupt an, dieser Streit zwischen Jesus von Nazareth und den Schriftgelehrten über die richtige Auslegung der Schrift? Derlei Dinge waren Sache der Gelehrten, und welcher von ihnen Recht behalten würde, das würde die Zukunft schon zeigen. Derartigen Gelehrtenstreit gab es zu allen Zeiten, das brachte die Tora mit all ihren zahllosen Deutungsmöglichkeiten wohl nun mal mit sich. Einfache Leute wie er hatten in dieser Auseinandersetzung nichts zu gewinnen, aber unter Umständen eine Menge zu verlieren, wenn sie Partei ergriffen und sich für etwas begeistern ließen, was sich später als Irrlehre herausstellte und vielleicht gar noch verfolgt wurde. Was die beiden Schriftgelehrten damals vor der Synagoge in Kapernaum nach der dramatischen Dämonenaustreibung und dem darauf folgenden Tumult voller Wut besprochen hatten, ließ jedenfalls nichts Gutes ahnen.
    Nein, ihn betraf das alles nicht, und er hatte sich auch nichts vorzuwerfen, was besondere Buße und eine Umkehr erforderlich gemacht hätte. Bemühte er sich doch nach besten Kräften, ein rechtschaffenes Leben zu führen, den Sabbat zu heiligen und sich an all die Gebote und Vorschriften zu halten, die ihn sein Vater gelehrt hatte. Und dass er für kurze Zeit vom rechten Weg abgewichen war, weil Berechja ihn mit seinem schändlichen Betrug an ihrer Abmachung dazu gezwungen hatte, dafür konnte er wahrlich nichts. Jetzt waren die Dinge jedenfalls so, wie sie sein sollten, und nichts drückte sein Gewissen, wenn er sich nachts schlafen legte.
    Das Einzige, was er wirklich bedauerte, war, dass er so überstürzt hatte abreisen müssen und dass keine Zeit mehr geblieben war, Timon zu suchen und ihm von seiner Reise nach Jerusalem zu erzählen und sich zu verabschieden, wie es sich unter guten Freunden gehörte. Dass Jakob versichert hatte, seinem Freund von ihm die besten Grüße und Wünsche auszurichten und ihn über alles ins Bild zu setzen, war doch nur ein schwacher Trost gewesen.
    »Genug geträumt, mein Freund!«, rief Esra aufgekratzt und riss Jona damit aus seinen Gedanken. »Der Tribut an den Kaiser und all die anderen Raffgierigen, die ihr Scherflein davon abzweigen, bis der Rest in Rom eintrifft, ist entrichtet! Beeilen wir uns also, dass wir zum Haus meines Schwiegersohnes kommen, damit seiner Magd Zeit genug bleibt, um uns ein ansehnliches Essen aufzutischen. Nach dem schrecklichen Fraß, den wir die letzten Tage ertragen mussten, bin ich in der richtigen Stimmung, es mir gut gehen zu lassen!«
    In der Stimmung bist du doch immer! Auch wenn das Essen fad und der Wein gepanscht ist, langst du mit ungebrochener Lust an der Völlerei zu!, hätte Jona am liebsten geantwortet, verkniff sich diese respektlose Bemerkung jedoch wohlweislich. Bis auf Esras oft ermüdend geschwätziges Wesen gab es auch nichts, was er ihm vorzuwerfen hätte. Er hatte jeden Tag seine zwei Denare erhalten, und er zweifelte nicht daran, dass der Fischhändler Wort hielt und ihm auch noch die versprochenen drei Schekel auszahlte, die ihm jetzt mit ihrem Eintreffen in Jerusalem zustanden. Und was dann geschah, würde sich noch früh genug zeigen.
    Jona ging wie stets neben dem schweren Fuhrwerk her und ließ die bunten Straßenszenen auf sich wirken, die sich ihm in einer Vielfalt und teilweise auch faszinierenden Fremdartigkeit darboten, wie er sie sich so nicht einmal in seinen Träumen ausgemalt hatte. Er war noch nie zuvor in einer großen Stadt gewesen, geschweige denn in dieser Weltstadt, der Stadt Gottes.
    Natürlich gab es das Gebot, als frommer Jude mindestens einmal im Jahr zum Tempel zu pilgern und sein Opfer den Leviten zu übergeben. Aber das war ein Gebot, das

Weitere Kostenlose Bücher