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Der geheime Name: Roman (German Edition)

Der geheime Name: Roman (German Edition)

Titel: Der geheime Name: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Winterfeld
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hinein. Seine Füße waren geübt, fanden mühelos Halt auf den glitschigen Baumstämmen, mit denen er den schlammigen Grund befestigt hatte. Er ließ das Weibchen weit hinter sich und kam in den Wald, der unter seinem Tarnkreis so ursprünglich geblieben war wie vor Tausenden von Jahren. Immer schneller huschte er über die Wege, die seine Füße in das Laub gegraben hatten, und erreichte schließlich den ältesten Teil des Waldes, in dem seine Hütte versteckt war.
    Das Kindchen blickte ihn noch immer aus großen, neugierigen Augen an, als er durch die Tür trat und mit einer Hand das Öllämpchen heller drehte. »So ein angenehmes Kindchen ist sie«, säuselte der Geheime ihr zu. »Sie weint ja gar nicht, das gefällt ihm. Ja, so eine kleine Süße!« Ein warmes Kribbeln strömte durch seinen Bauch, während er die Kleine auf seinen Armen wiegte. »Gegen Gold hat ihre Mutter sie eingetauscht. Ja, so eine schlechte Mutter. So eine braucht sie gar nicht mehr. Sie wird schon sehen, er wird gut für sie sorgen.« Er stupste seine spitze Nase an ihre Wange und rieb sie kitzelnd hin und her.
    Ein glucksendes Lachen hüpfte aus dem Mund der Kleinen.
    Dem Geheimen traten Tränen in die Augen. »Ja, so eine goldige, kleine Prinzessin. Ist sie seine kleine Prinzessin?« Wieder rieb er die Nase an ihrer Wange.
    Wieder lachte die Kleine und öffnete ihren zahnlosen Mund.
    Dem Geheimen wurde ganz warm ums Herz. So war es doch gleich, ob sie blonde oder schwarze Haare hatte, ein ganz wunderbares Weibchen würde sie werden. »Jetzt wird er sie erst einmal frisch wickeln und dann etwas Ziegenmilch für sie wärmen. Hat sie Hunger? Hat sie eine nasse Windel?«
    Er bettete die Kleine auf das Lager, das er für sie errichtet hatte: eine schaukelnde Wiege, ausgestattet mit Strohsäcken und weichen Fellen. Ganz vorsichtig öffnete er das Bündel und zog die Menschenkleidung von ihren Beinchen.
    Kratziges Plastik banden die Menschen ihren Babys um das Gesäß, auf dass ihre Exkremente ja nicht durch den Stoff sickerten.
    Der Geheime schüttelte den Kopf. Hastig befreite er die Kleine von ihrer Menschenwindel – und erstarrte.
    Es war keine Kleine! Es war keine Prinzessin! Es würde niemals sein Weibchen werden! Es war ein Junge!
    Der Geheime schrie und sprang zurück. Rasende Wut packte ihn und ließ ihn durch die Hütte toben. »So hat sie ihn betrogen! Hinterhältiges, heuchlerisches Menschenweib! Das wird sie ihm büßen!«
    Das Kind fing an zu schreien, zu kreischen. Sein Gesichtchen verzog sich zu einem faltigen Antlitz.
    Der Geheime raufte sich die dicken, struppigen Haare, bedeckte die Ohren mit den Händen. So laut er konnte, brüllte er seine Wut durch die Wände der Hütte in den Wald hinaus. Auf dass sie ihn hörte und ihn fürchtete für den Rest ihres Lebens: »Er wird sich ihre Tochter schon noch holen – und wenn es das Letzte ist, was er tut! Das schwört er der garstigen Menschenhure! Bei dem Geheimnis seines Namens!«

1. Kapitel
    D er Duft der Kräuter lag so schwer in der Luft, dass jeder Atemzug danach schmeckte. Rosmarin, Thymian, Lavendel. Vor allem der Lavendelduft überwog an diesem Nachmittag, an dem die Erntemaschinen über das Feld hinter dem Haus fuhren und die lilafarbenen Reihen enthaupteten. Fast kam es Fina vor, als fegte der Duft in einem letzten Aufschrei über das Land, bevor er sich für den Rest des Jahres verabschieden würde.
    Fina lenkte die Schimmelstute auf den Weg, der zwischen den Weinstöcken den Weinberg hinaufführte, und schloss die Augen. Ein letztes Mal atmete sie das satte Lila in ihre Lungen, während sie die Lavendelfelder so weit wie möglich hinter sich ließ.
    Sie schmeckte den Abschied in dem Duft, ahnte den Wechsel der Jahreszeiten, der sich an diesem Nachmittag in dem Aufschrei des zerschnittenen Lavendels zum ersten Mal ankündigte. Der Anblick des Lilas ging Fina nicht aus dem Kopf, und sie wusste schon jetzt, dass die Farbe für immer mit diesem Geruch verbunden sein würde – ganz egal, wo sie im nächsten Jahr leben, ganz egal, ob sie die Provence jemals wiedersehen würde.
    Nichts schien Erinnerungen so unverwechselbar abzuspeichern wie Gerüche.
    Fina fühlte das weiche Fell des Pferdes an ihren nackten Beinen und legte sich nach vorne auf den Hals der Stute. Bald schon würde sie fort sein. Sie hatte noch nicht mit ihrer Mutter darüber gesprochen, wohin sie gehen würden. Aber sie waren bereits seit fünf Monaten hier, und Fina hatte selten mehr als einen

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