Der geheime Vortrupp – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Inspektor-Appleby-Serie (German Edition)
Boden angegriffen worden – um so größer das Trauma, es könnte eines Tages dank einheimischer Kollaborateure der Fall sein. Hiergegen hat Doyle im Ersten Weltkrieg gekämpft, hiergegen hat John Dickson Carr im Zweiten Weltkrieg eine Kurzgeschichte geschrieben, und gegen diese Gefahr schickt auch Michael Innes seine Helden ins Feld. Im nächsten Band wird sein Seriendetektiv Appleby in den Tropen gegen die deutsche Gefahr erfolgreich im Einsatz sein (»Appleby on Ararat«, 1941, unter dem Titel »Applebys Arche« in DuMonts Digitaler Kriminal-Bibliothek erschienen).
Alles fängt mit dem völlig unerklärlichen, aber sehr professionell wirkenden Mord an Philip Ploss, einem in jeder Hinsicht harmlosen Feld- und Wiesendichter an. Allein Applebys Sucht nach Rätseln und Geheimnissen, die er mit allen seinen Kollegen teilt, läßt ihn etwas wittern – er spürt eine Bewegung wie bei einem Theatervorhang, harmlos genug, und doch wird sich dahinter bald eine ganze Welt voll Dramatik auftun. Sein Gesprächspartner weiß zufällig noch ein Stichwort: Kurz vor Ploss’ Tod gab es da ›irgendwas mit Dichtung‹; und, wie Applebys Kombinationsgabe herausfindet, gibt es beim rätselhaften Verschwinden eines jungen Mädchens im schottischen Hochland auch ›irgendwas mit Dichtung‹.
Während Appleby in London nach Zusammenhängen sucht, stolpert besagte junge Dame, Sheila Grant, nichtsahnend in eine Folge von Abenteuern, wie sie einst den Helden von Sir Walter Scotts »Waverley«-Romanen oder Robert Louis Stevensons »Kidnapped« zugestoßen sind – natürlich werden beide Dichter auch genannt. Und das nur, weil mitten auf der Brücke über den Firth of Forth – Fontanes »Brück’ am Tey« – in ihrem Abteil Verse von Charles Algernon Swinburne rezitiert werden, die, wie ihr auffällt, nur zum Teil von Swinburne sind. Sie hat ihren Mitreisenden innerlich Notnamen aus englischen Romanen gegeben – einen davon muß sie bald ändern, wie sie fürchtet: Sie hat es nicht mit einem harmlosen Burge zu tun, sondern mit dem sinistren Herman Dousterswivel, einem unerfreulichen Deutschen aus Scotts »The Antiquary«, das sie gerade liest. Wie einst ein hochrangiger deutscher Spion in der britischen Admiralität sich dadurch verraten haben soll, daß er bei einer äußerst geheimen Sitzung den nur in Deutschland üblichen Querstrich durch die Ziffer »7« machte, gibt sich ›Dousterswivel‹ durch ein leises Klicken im Dunkeln preis – das berüchtigte Hackenzusammenschlagen deutscher Militärpersonen.
Sheila Grant, die doch nur Verwandte in Schottland besuchen will, ist mitten zwischen zweihundert Millionen Menschen geraten, die nur auf ein Signal warten, um einander an die Kehle zu springen, wie die Stimmung im Sommer 1939 anschaulich beschrieben wird.
Bei der folgenden Jagd durch das klassische schottische Hochland – Heide, Hügel, Täler, Bäche, Wälder und ein Loch mit einer Burg – hilft ihr ein ebenfalls Scotts Werken entsprungener veritabler blinder schottischer Barde, der glaubt, einer Landsmännin nach der Schlacht von Culloden 1746 auf der Flucht vor »Billy the Butcher«, dem Herzog von Cumberland, behilflich zu sein.
Der Detektivroman in London und der Abenteuerroman in Schottland, die Innes kunstvoll ineinander geschoben hat, wobei dem aktionsreichen Abenteuerroman der meiste Platz gebührt, ergeben zusammen einen Sinn: Die Jagd gilt einem genialen, aber exzentrischen britischen Naturwissenschaftler, der sich unter dem Eindruck von Hitlers gewalttätiger Annexionspolitik zum Dienst für die Regierung entschlossen hat und deshalb von den Deutschen entführt werden soll. Und ausgerechnet in dieser Situation hat sich der geniale Exzentriker entschlossen, zu einem Kurzurlaub inkognito ins schottische Hochland aufzubrechen, was natürlich den deutschen Entführungsplänen in die Hände spielt. Von ferne klingt hier schon 1940 der Wettlauf um die ›Wunderwaffe‹ an, der als Nebenaspekt den Zweiten Weltkrieg geprägt und entschieden hat.
Und ausgerechnet hier gilt der Lieblingsausspruch eines Oxford-Dons – allein die Dichtung kann uns retten, wie der gebildete Appleby, selber Oxford-Absolvent, genüßlich zitiert. Es gilt, die von Sheila memorierten falschen Swinburne-Verse zu lesen, wie man einen Schatzplan liest, um den Aufenthaltsort des Wissenschaftlers vielleicht noch vor den Deutschen zu finden. Im Gegensatz zu späteren Fernsehserien wie »Colditz« oder »Hogan’s Heroes«, in denen alliierte
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