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Der Geheimnistraeger

Der Geheimnistraeger

Titel: Der Geheimnistraeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Kanger
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seien so schlecht gebaut, dass sie eines Tages einstürzen würden. Er hatte die Augen verdreht, »Santa Maria« gesagt und sich bekreuzigt. Paolo las von den Erdbeben weiter im Süden, und stellte sich vor, wie
sich die Erde unter ihrem Haus auftat. Er würde seine Schwester aus der Katastrophe retten und dann als Held gefeiert werden.
    Jenseits der Bahngleise erstreckte sich die Ebene in kindlicher Vorstellung von Unendlichkeit. Um diese Jahreszeit war sie gelb und verdorrt. Paolo fuhr dort gerne Rad. Es gab ein gutes Loch im Zaun an den Gleisen, wo er durchkam. Auf seinen Ausflügen radelte er immer weiter. So vergrößerte er seine Welt.
    Es waren Sommerferien, und alle Tage waren gleich. Seine Mutter stellte ihm und seiner Schwester Gina das Frühstück hin, bevor sie zum Lebensmittelladen ging. Es war Samstag und ihr letzter Arbeitstag vor den Ferien. Sie hatte gesagt, dass sie am Sonntag ans Meer fahren würden. Papa hatte frei, aber zog sich die Schuhe an, als Paolo gerade aufstand. »Versammlung«, murmelte er und sagte dann noch etwas über die schwarze Bedrohung, bevor er die Tür hinter sich schloss. Paolo hatte das schon früher gehört, wusste aber nicht, was es bedeutete.
    Nach dem Frühstück zog er sich an und ging raus. Die Sonne stand bereits hoch am Himmel. Er nahm sein Fahrrad und fuhr um die Ecke. Antonio und Luigi standen mit ihren Rädern vor Luigis Haustür auf dem Bürgersteig. Sie beschlossen, einen Ausflug in die Ebene zu machen, und radelten zum Zaun an den Gleisen. Dort mussten sie feststellen, dass ihr Loch geflickt worden war. »Wartet, das mach ich schon«, sagte Antonio und machte kehrt. Nach einer Weile kam er zurück. Auf seinem Gepäckträger lag ein Bolzenschneider. Paolo fragte sich, wo er den herhatte, sagte aber nichts. Antonio schnitt neben dem Loch, das gerade repariert worden war, ein neues Loch in den Zaun, ein größeres und besseres. Mühelos konnten sie ihre Räder durch den Zaun schieben und überquerten das Gleis.
    Mehrere Pfade schlängelten sich über die Ebene. Sie radelten ziellos herum. Nach einer halben Stunde hielten sie an einem
Pumpenhaus an, mit dem einmal eine Pflanzung bewässert worden war. Jetzt war alles um sie herum trocken. Ein verfallener Hof lag etwas weiter weg. Antonio rüttelte an der Luke des Pumpenhauses, aber die war mit einem rostigen Vorhängeschloss abgeschlossen. Er ging zurück zu seinem Fahrrad und holte den Bolzenschneider vom Gepäckträger. Aber wie er sich auch anstellte, er bekam das Schloss nicht auf. Paolo und Luigi lachten ihn aus. Sie setzten sich in den Schatten des Pumpenhauses.
    »Schau mal!«, sagte Luigi und deutete auf eine schwarze Katze, die um ihre Räder herumschlich. Antonio erhob sich und versuchte, sie zu sich zu locken. Als sie nicht kam, ging er ein paar Schritte vor. Die Katze wich zurück. »Wir fangen sie«, sagte er zu den anderen beiden, die aufstanden und sich auf der anderen Seite der Katze aufbauten. Luigi sprang vor, und das Tier lief weg. Antonio warf sich hinterher, und es gelang ihm ein Bein zu erhaschen. Die Katze schrie und versuchte zu entkommen. Als Antonio sie am Nacken packte, fauchte sie und zerkratzte ihm den Arm. Antonio fluchte und sagte zu Luigi, er solle sie festhalten. Er ging zurück zum Pumpenhaus und hob den Bolzenschneider von der Erde auf.
    »Was hast du vor?«, fragte Paolo. »Jetzt wirst du was zu sehen kriegen«, antwortete Antonio. Er trat auf Luigi zu, der die wütende Katze so weit von sich weghielt, wie er konnte. Antonio packte die Handgriffe des Bolzenschneiders und schnitt das eine Vorderbein der Katze ab. Dann schnitt er das andere Bein ab. Entsetzt warf Luigi das Tier auf die Erde, es versuchte, sich im Staub zu erheben, um zu entkommen, aber es konnte nur noch kriechen und jaulen. Das Blut schoss aus ihren Beinstummeln hervor. Antonio lachte. Paolo starrte wie gebannt auf die Zuckungen des Katzenviehs. Sein Mund war wie zugeschweißt, er vermochte kein Wort zu sagen.

    Schweigend radelten die drei Jungen zurück. Am Bahndamm stiegen sie ab und schoben die Räder über das Gleis. In dem Augenblick, als Paolo auf den Schienen stand, spürte er eine schwache Vibration unter den Füßen. Er schaute auf, um zu sehen, ob ein Zug kam, aber das Bahngleis war leer. Weit in der Ferne jedoch, in der Stadt, stieg eine schwarze Rauchwolke auf. Eine Sekunde später hörte er den dumpfen Knall. Er glaubte, das sei jetzt das Erdbeben, erst später erfuhr er, was passiert war.
    Es war

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