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Der Geiger: Kriminalroman (German Edition)

Der Geiger: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Geiger: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mechtild Borrmann
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nicht, was er beim Anblick der Geige erwartet hatte, aber jetzt spürte er nichts. Keine Erleichterung, keine Freude. So wie die Dinge lagen, würde er weder den Wunsch des Großvaters erfüllen können und die Geige wieder in den Besitz der Grenkos bringen, noch den von Babuschka Galina, ihren Mann zu rehabilitieren.
    Sascha verharrte wohl schon zu lange dort, denn Sonja Kopejewa klatschte in die Hände und sagte ungeduldig: »Kommen Sie.«
    Auf dem Flur sagte sie: »Damit ist wohl bewiesen, dass die Geschichte Ihrer Großmutter reine Erfindung ist. Und jetzt möchte ich Sie bitten zu gehen.«
    Sascha schluckte. Dann entschied er sich. »Mein Vater hat 1990 über einen Rechtsanwalt eine Anfrage an das Ministerium für Innere Angelegenheiten gestellt. Im Antwortschreiben stand, dass man über den Verbleib der Geige nichts wisse und davon auszugehen sei, dass mein Großvater sie mit ins Ausland genommen habe. Diesen Bescheid hat Ihr Mann unterschrieben.«
    Er sah sie blass werden.
    »Das ist eine unverschämte Lüge.« Sie schnappte sichtbar nach Luft. »Raus! Machen Sie, dass Sie rauskommen!«
    Der Bodyguard packte ihn am Arm, führte ihn unsanft zum Ausgang.
    Erst als Kyrill das Tor bereits passiert hatte, bemerkte Sascha, dass er die Briefkopie auf dem Tisch hatte liegenlassen.

Kapitel 34
    E ine Woche verging, bis Edita sie endlich in einem Krankenhaus am Stadtrand ausfindig machte. Unbeweglich, mit gebrochener Hüfte, schwerer Gehirnerschütterung, Prellungen und diversen Abschürfungen lag sie da. Die Schmerzen waren unerträglich, die Schmerzmittel knapp.
    Die ersten Besuche der Freundin nahm sie kaum wahr. Fast zwei Wochen verbrachte sie in einem fiebrigen Dämmerzustand, in dem Tage und Nächte sich nicht voneinander abgrenzten. Die Bilder ihrer jungen Jahre in Moskau vermischten sich mit ihrem Leben in der Verbannung, und immer wieder griff ein Milizionär nach ihrem Unterarm und schimpfte: »Was soll das, Galina Petrowna!«
    Als das Fieber endlich vorüber war und sie ihre Umgebung wahrnahm, waren in ihrer Erinnerung zunächst nur Fragmente vorhanden. An den Mann in der Eingangshalle des Kotelnitscheskaja-Wolkenkratzers erinnerte sie sich, an die Kälte der Marmorwand und dass sie gelaufen war. Atemlos und ziellos.
    Edita kam zweimal pro Woche. Sie war es, die ihr in der vierten Woche vorsichtig erklärte: »Galina, die Ärzte sagen, wahrscheinlich wirst du … Es kann sein, dass du nicht mehr gehen kannst.«
    Hatte sie geweint? Hatte sie sich aufgebäumt und geschrien? Sie wusste es nicht mehr. Der weiße Krankensaal, den sie mit zwölf anderen Frauen teilte, versank im Halbdunkel, und eine Art Taubheit fiel sie an. Tagelang kamen die Worte der Ärzte, Schwestern und auch Editas Stimme aus weiter Ferne, so als stünden sie in einem anderen Raum.
    In den Nächten lag sie wach, atmete gegen die Schmerzen an und meinte, in allem, was geschehen war, eine zwingende Logik zu erkennen. Gott strafte nicht wahllos. Er hatte sie von ihren Kindern getrennt und nach Moskau zurückgeschickt. Hier, wo alles begonnen hatte, wo sie zum ersten Mal an Ilja gezweifelt und ihn damit verraten hatte, würde sie als Krüppel enden.
    Nach und nach kam auch die Erinnerung an den Sturz zurück. Zunächst die Bilder. Der Milizionär hinter ihr. Seine Hand auf ihrem Arm.
    Und zwei Nächte später auch die Geräusche. Die Geräusche und die Stimme. Das Quietschen der Bremsen, als die Metro einfuhr. Und unter diesem schrillen Lärmen die Stimme. Die Stimme an ihrem Ohr. »Lassen Sie los. Lassen Sie sofort den Handlauf los! Galina Petrowna?«
    Ganz steif lag sie in ihrem Bett, versuchte ruhig zu atmen. Hatte er ihren Namen gekannt? Hatte er ihn wirklich gesagt, oder spielte die Erinnerung ihr einen Streich?
    Am Mittwoch der fünften Woche kam Edita nicht alleine. Der Mann stand am Fußende ihres Bettes und nickte ihr stumm zu.
    »Sie hätten nicht herkommen sollen, Galina Petrowna«, sagte er ruhig.
    Die Stimme erkannte sie sofort. Edita hatte ihn also gefunden. Domorow.
    »Meschenow«, fragte sie. »Haben Sie ihn noch getroffen? Haben Sie ihn noch sprechen können?«
    Domorow nickte. »Über die Geige wusste er nichts. Er hat geweint, als er von Ilja Wassiljewitschs Schicksal hörte.«
    »Kopejew«, sagte Galina. »Sonjas Mann. Er arbeitet bei der Staatssicherheit.« Sie schluckte angestrengt. »Er hat schon damals bei der Staatssicherheit …«
    Und dann erzählte sie flüsternd von ihrem Besuch im Kotelnitscheskaja-Wolkenkratzer

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