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Der Geisterfahrer

Der Geisterfahrer

Titel: Der Geisterfahrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Hohler
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hatte.
    »Sie wissen Bescheid?«, fragte Charles, indem er ihr die Aufschrift hinhielt. Sie lächelte nur, und als er nun ein Streichholz über den Anzündstreifen zog, brach es entzwei, ebenso ein zweites und ein drittes. Die Hölzchen mussten mit Absicht so dünn gemacht worden sein, dass sie auch nicht dem geringsten Druck standhielten. Er packte das nächste Streichholz direkt am Köpfchen, es entzündete sich und brannte ihn an der Fingerkuppe, sodass er es mit einem Fluch fallen ließ. Als Gitarrist konnte er sich keine Wunden an den Fingern leisten.
    »Tut mir leid«, sagte er, »ich –«
    Sein Handy klingelte, und aus dem Studio hörte er, dass die andern schon da seien und man nur noch auf ihn warte. Er versprach sofort zu kommen, entschuldigte sich bei der Frau und suchte nach dem Knopf für den Lift.
    »Es gibt keinen Knopf«, sagte die Frau, »man muss warten, bis er von selbst kommt.«
    Ungläubig blickte er sie an. »Und wie lang haben Sie gewartet?«
    »Sie haben sich ganz schön Zeit gelassen – etwa eine halbe Stunde.«
    Zum Glück stand die Nummer des Hotels auf der Streichholzschachtel, und er tippte sie ein. Von der Frau an der Rezeption verlangte er, dass sofort ein Lift zur Raucherecke hochgeschickt werde.
    Sie reagierte erstaunt. Da gebe es gar keinen Lift, behauptete
sie. Als er ihr schilderte, wo er war und dass er da nicht allein war, sagte sie, das sei ein Notfalllift für die Feuerwehr, und um den in Gang zu setzen, müsse sie erst den Code freigeben lassen, und das könne schon etwas dauern.
    »Wie lange?«, fragte er tonlos.
    »Bis zu einer Stunde«, sagte sie ungerührt.
    »Bis dann bin ich erfroren!«, schrie er.
    Aber es half nichts.
    Als er im Studio anrief, wollte man ihm nicht recht glauben, und der Produzent sagte, zufällig sei Rick Rinton vorbeigekommen, und er könne seine Soli schon mal einspielen, ihre Zeit sei leider begrenzt.
    Charles wusste, was das bedeutete. Rick Rinton war sein schärfster Konkurrent in der Szene, er war jünger, und eigentlich musste er, Charles, bei jedem Engagement beweisen, dass er es immer noch mit ihm aufnehmen konnte.
    Er steckte sein Handy in die Tasche und brach plötzlich in Tränen aus.
    »Kommen Sie«, sagte die Frau, öffnete ihren Mantel und zog ihn an sich, »Sie müssen aufpassen, dass Sie sich nicht erkälten.« Und so stand er da, presste sich weinend und schlotternd an sie, sie behütete ihn und streichelte seinen Kopf wie einem kleinen Kind, und so umschlungen fuhren sie auch im Lift nach unten, als dieser sie nach drei viertel Stunden endlich abholte.
    Die Frau sah er nie wieder. Als er im Studio erschien, waren die Aufnahmen gemacht; Rick hatte alle mit seinen schrägen Riffs verzaubert, und ihm war klar, dass er von diesem Produzenten nie mehr eingeladen würde.

    Am nächsten Tag erkrankte er gleich nach seiner Rückkehr an einer schweren Lungenentzündung und musste für mehrere Tage in die Klinik. Er hatte so hohes Fieber, dass er zeitweise nicht bei Bewusstsein war.
    Später, als es ihm besser ging, fragte ihn eine Pflegerin, wieso ihn wohl die Frage des Chefarztes so empört habe, dass er ihn angeschrien und beschimpft habe.
    Was der ihn denn gefragt habe, wollte Charles wissen.
    »Das, was er alle fragt – rauchen Sie?«

Der vierte König
    E r lehnte sich zurück.
    Während des Mittagessens hatte ihn ein bisschen gefröstelt, und nach dem Kaffee hatte er einen Schluck Kräuterschnaps getrunken, der ihn nun wohlig wärmte. Die Flasche hatte er unten im Schrank der Ferienwohnung gefunden, die er für einige Tage bewohnte. Diese gehörte einem seiner Freunde, der sie kürzlich erworben hatte. Es war ein kleines altes Bauernhaus, ein Maiensäß fast, das etwas oberhalb eines Dorfes in den Bündner Bergen stand. Da das Haus an den Hang gebaut war, führte vom Eingang eine Treppe in den Wohnteil hinauf. Die Zimmer waren niedrig, die Fenster klein, und es hing ein Geruch von stehengebliebener Zeit in den Räumen. Geheizt wurde mit einem Kachelofen, der in der Wand zwischen Stube und Schlafzimmer eingebaut war, und in der Küche mit einem Holzherd, auf dem man auch kochen konnte. War es einem zu mühsam, diesen einzufeuern, konnte man einen Heizstrahler über dem Spülbecken einschalten und sich auf zwei elektrischen Platten etwas zubereiten. Eine Dusche oder ein Bad gab es im Haus nicht, nur eine Toilette, die am Ende des Flurs außen ans Haus angebaut war.
    Er, der Gast, hieß Balz, und er hatte sich Anfang des Jahres

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