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Der Gejagte

Der Gejagte

Titel: Der Gejagte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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den hochrangigen Beamten zu
erkennen glaubten, der noch kurz zuvor der rechtmäßige Besitzer der
Kleider und der Waffe gewesen war, die Andrej nun trug.
Andrej hoffte, dass man die Leiche nicht so bald finden würde.
Am Eingang des ehemaligen Gotteshauses wurden sie aufgehalten
und nach ihrem Begehr gefragt. Andrej beantwortete die Fragen des
dunkelhäutigen Wächters, der ihn und vor allem Abu Dun mit unverhohlenem Misstrauen musterte, in genau dem überheblichen Ton,
den der Soldat von einem Mann seiner Position erwartete. Sein Türkisch war nicht so perfekt, wie es ihm lieb gewesen wäre. Er sprach
mit einem leichten, aber unüberhörbaren Akzent, von dem er befürchtet hatte, er könne ihn verraten. Doch zumindest diese Sorge
war in dem Moment von ihm abgefallen, in dem sie an Land gegangen waren. Konstantinopel befand sich zwar fest in türkischer Hand,
aber es herrschte ein wahrhaft babylonisches Sprachengewirr. Wahrscheinlich fiel man eher auf, wenn man die Sprache der Besatzer
einwandfrei sprach.
Obgleich es Andrej gelang, den Mann auf genau die Art einzuschüchtern, die er beabsichtigt hatte, erfüllte dieser seine Aufgabe
mit großer Gewissenhaftigkeit. Sie wurden angewiesen, am Tor zu
warten und sich nicht von der Stelle zu rühren. Noch während sich
der Wächter umwandte und mit schnellen Schritten davoneilte, nahm
ein Dutzend Krieger unauffällig rings um sie herum Aufstellung.
Andrej hatte mit nichts anderem gerechnet, denn das Gebäude, in das
sie einzudringen versuchten, spielte bei der bevorstehenden Invasion
eine entscheidende Rolle - vielleicht die wichtigste überhaupt.
Im Gegensatz zu vielen anderen machte Andrej nicht den Fehler,
seinen Feind zu unterschätzen. Immerhin beherrschte das Osmanische Reich einen Großteil der Welt und versuchte nun mit nicht wenig Erfolg, auch noch den Rest zu unterjochen. Auch wenn es unter
den Rittern und Adligen Europas als schick galt, die Muselmanen mit
Verachtung zu betrachten und als Barbaren und Heiden zu bezeichnen, wusste Andrej aus eigener, leidvoller Erfahrung, dass eher das
Gegenteil der Fall war. Dummköpfe eroberten keine Weltreiche.
Obwohl der Nubier in respektvollem Abstand hinter ihm Aufstellung genommen hatte, konnte Andrej dessen Unbehagen fast riechen.
Das beunruhigte ihn. Normalerweise war es eher Abu Dun, der dazu
neigte, unkalkulierbare Risiken einzugehen, während Andrej sich
mehr in der Rolle des Warners und vorsichtigen Taktierers sah.
Langsam drehte er sich um und ließ seinen Blick scheinbar gelangweilt über den weiten, von brodelndem Leben erfüllten Hof schweifen. Sein Gefühl hatte ihn nicht getrogen: Abu Dun stand stocksteif
und mit erstarrtem Gesicht hinter ihm. Auf seiner Stirn glänzte
Schweiß und seine Faust hatte sich ein wenig zu fest um den
Schwertgriff in seinem Gürtel geschlossen. Er benahm sich auffällig,
fand Andrej. Die Männer, die sie umgaben, waren keine Dummköpfe. Hinter dem Respekt, mit dem sie den hohen Gast behandelten,
verbarg sich die Aufmerksamkeit von Soldaten, die zu den Besten
gehörten. Der Großwesir ließ eines der wichtigsten Gebäude Konstantinopels nicht von Dilettanten bewachen.
Es wird alles gut, versuchte er Abu Dun mit Blicken zu signalisieren. Entspann dich!
Natürlich erreichte er damit eher das Gegenteil. Und er konnte Abu
Dun mit jedem Herzschlag, der verstrich, ohne dass die Wache zurückkam und sie einließ, besser verstehen. Er hätte auf seinen Gefährten hören sollen. Er hätte auf seine innere Stimme hören sollen,
die vor Empörung aufgeschrien hatte, als de la Valette ihm auftrug,
in der Höhle des Löwen zu spionieren. Andrej war Krieger, kein Spion. Er verachtete Spione, und er hasste Verräter.
Es war nicht so, als seien sie nicht gewarnt worden.
Ihr Unternehmen hatte von Anfang an unter keinem guten Stern gestanden. Wären sie nicht durch einen Sturm auf ihrer Reise aufgehalten worden, so hätten sie sich diese Maskerade sparen können. Erst
einen Tag zuvor, viel später als geplant, hatten sie Konstantinopel
erreicht und waren mit ihrem Fischerboot im Kontoskalion-Hafen im
Süden der riesigen Stadt vor Anker gegangen, sechs Tage zu spät!
Die Flotte des Sultans war bereits am 28. März vom Bosporus her in
das Goldene Horn eingelaufen, und man hatte längst damit begonnen, die Schiffe zu beladen.
Heute Morgen waren sie in der lang gezogenen Bucht gewesen, um
sich die Flotte anzusehen.
Nein, verbesserte sich Andrej in Gedanken, nicht die

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