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Der gelbe Handschuh

Der gelbe Handschuh

Titel: Der gelbe Handschuh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
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jedenfalls nicht zurückgekommen.“
    „Und in seiner Kabine gondeln jetzt die Anzüge und Krawatten mutterseelenallein durch die Karibik“, bemerkte Frau Finkbeiner. „Es ist ein Jammer.“
    Die Bordkapelle auf dem Oberdeck spielte jetzt einen Calypso, und am Heck zerplatzten wieder einmal zwei Feuerwerksraketen. „Was ich jetzt gerne erfahren hätte“, sagte Mister Palmer und holte sich dabei seine Pfeife aus der Tasche. „Gestatten Sie, meine Damen?“
    „Wir wissen ja, daß Sie sich nur wohl fühlen, wenn Sie wie ein Fabrikschornstein qualmen können“, Mrs. Fuller lachte. „Also, was hätten Sie gern erfahren?“
    „Die Frage geht an Herrn Latenser“, erwiderte Mister Palmer und beugte sich vor. „Wieso haben Sie eigentlich gewußt, daß die echte Mona Lisa unter der Schlangenkiste versteckt ist?“
    „Es sieht aus, als komme ich genau im richten Augenblick“, sagte jetzt Kapitän Stahlhut, der die Frage noch gehört hatte.
    „Bitte, nehmen Sie Platz“, meinte Mrs. Fuller. Ronny räumte den Sessel neben seiner Tante und klemmte sich zwischen Peter und Ulli.
    „Sehr freundlich, mein Junge“, bedankte sich der Kapitän. „Bitte, schießen Sie los, Herr Latenser.“
    Aber im selben Moment tauchten jetzt zwei knallrote Luftballons auf und mit ihnen der Museumsdirektor aus Paris. Er strahlte wie der Vollmond, an dem gerade eine winzige rosarote Wolke vorbeisegelte. „Ich wäre unglücklich, wenn ich störe“, lächelte er selig und blickte sich dabei bereits nach einer Sitzgelegenheit um. Und dann sagte er auch schon: „Das ist aber wirklich sehr aufmerksam.“
    Inzwischen schob nämlich der Page Axel Kannengießer einen Sessel an den Tisch. „Bitte sehr, Monsieur Prunelle.“ Er lächelte höflich und wollte wieder verschwinden.
    Aber da sagte Mrs. Fuller: „Moment, mein Sohn“, und dann fragte sie den Kapitän: „Hätten Sie etwas dagegen, wenn dieser Knabe die nächsten fünf Minuten dableibt und zuhört? Immerhin ist er nicht ganz unschuldig dran, daß der falsche Inspektor Brown aufgeflogen ist. Und zudem ist er bestimmt genauso neugierig wie wir alle.“
    „Aber selbstverständlich“, erwiderte Kapitän Stahlhut. „Setz dich auf deine vier Buchstaben und spitz die Ohren.“
    „Danke, Herr Kapitän“, sagte der Junge mit den flachsblonden Haaren und der Stubsnase. „Aber ich stehe lieber, sonst komme ich aus der Übung.“
    „Und jetzt haben Sie endlich das Wort, Herr Latenser.“ Mrs. Fuller lehnte sich in ihren Sessel zurück, und die anderen machten es ihr nach.
    Das Schiff rollte wieder ein wenig, und die Gläser auf den Tischen zitterten. Der Wind bewegte die Palmenblätter, und auf dem Oberdeck produzierte sich die brasilianische Tanzgruppe, die neu an Bord gekommen war.
    „Daß dieser Inder Singh Rumi irgend etwas mit dem Diebstahl zu tun hatte“, begann Herr Latenser, „das wußte ich schon am Abend nach der Weihnachtsfeier in der Europa-Halle. Aber das, was noch viel wichtiger war, bemerkte ich schon früher, und zwar gleich nachdem die Lichter am Weihnachtsbaum wieder aufflammten und dann im ganzen Saal...“
    „Also direkt nach dem Kurzschluß“, warf Mister Palmer dazwischen.
    „Ja, direkt nach dem Kurzschluß“, wiederholte Herr Latenser. „Da entdeckte ich bereits, daß ein gefälschtes Bild auf der Staffelei stand. Ich mußte es einfach merken.“
    „Und wieso, wenn ich fragen darf“, meinte Mister Palmer und zog seine Augenbrauen nach oben.
    „Unser Monsieur Prunelle hatte darauf aufmerksam gemacht, daß man von den Augen der Mona Lisa immer voll angeblickt wird, gleichgültig, ob man links oder rechts von ihr steht“, erwiderte Herr Latenser. „Und es war tatsächlich so. Ich schlich im Halbkreis um das Bild herum, und die Mona Lisa ließ mich überhaupt nicht aus den Augen. Da kam der Kurzschluß. Und als dann das Licht wieder anging, habe ich meine Wanderung um das Gemälde fortgesetzt. Aber jetzt haben mich die Augen nicht mehr verfolgt. Ich spazierte nach links und ich spazierte nach rechts. Aber die Dame auf dem Gemälde blickte an mir vorbei. Das ist plötzlich nicht mehr die echte Mona Lisa, schoß es mir durch den Kopf.“
    „Und Sie haben uns kein Wort gesagt?“ fragte Mister Palmer vorwurfsvoll.
    „Ich hab’ es auf einen Zettel geschrieben“, schmunzelte Herr Latenser. „Und diesen Zettel habe ich noch am gleichen Abend unter der Tür hindurch in Ihre Kabine geschoben. Danach bin ich durch den Korridor davongeflitzt, daß meine

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