Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der gelbe Handschuh

Der gelbe Handschuh

Titel: Der gelbe Handschuh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
Vom Netzwerk:
B-Deck. Man hatte ihn überzeugen können, daß die Mona Lisa auch ohne seine persönliche Überwachung bis Puerto Rico absolut sicher sei. So tanzte der Museumsdirektor aus Paris jetzt mitten unter den Passagieren und war nicht zu übersehen. Er hatte nämlich an den Knopflöchern seiner Rockaufschläge zwei knallrote Luftballons befestigt, die über seinem Kopf schwebten und immer signalisierten, wo er sich gerade herumtrieb.
    „Eine wunderbare Nacht“, seufzte Monsieur Prunelle und wagte einen besonders kühnen Tangoschritt.
    „Ich freue mich so für Sie“, erwiderte seine Partnerin. Es war die Amerikanerin mit der blau gefärbten Perücke. Sie war in einem gestreiften Kleid erschienen und trug auf dem Rücken ein Schild mit der Aufschrift: „Ich bin ein von Piraten geraubtes Zebra.“
    Mister Palmer hatte heute seine Spendierhose angezogen und die beiden Berliner Familien sowie die Fullers, Herrn Latenser und auch Chang Lie aus der Wäscherei zu einem Glas Sekt eingeladen. Es stand aber auch eine große Karaffe mit Orangensaft auf dem Tisch, und neben ihr lagen die Fotos, die der Bordfotograf Weber inzwischen vergrößert hatte. „Einerseits möchte ich mit Ihnen auf die Rückkehr einer Dame namens Mona Lisa anstoßen“, sagte der Gastgeber, „andererseits interessiert mich da noch so einiges.“
    „Uns auch, das kann ich Ihnen flüstern!“ Mrs. Fuller lachte ihr tiefes Gießkannenlachen, und als sie sich wieder beruhigt hatte, fügte sie noch hinzu: „Übrigens sollen wir Sie noch herzlich von Mister Hobbs grüßen.“ In diesem Augenblick legte sich die Europa ein wenig auf die Backbordseite. Chang Lie sprang sofort auf und hielt die Sektflasche fest und die Karaffe mit dem Orangensaft.
    „Man sieht doch gleich, daß Sie zur See fahren“, sagte Frau Finkbeiner. „Wir sind eben doch bloß Landratten.“
    „Ja, Sie haben mir angedeutet, daß Sie mit diesem fragwürdigen Cellospieler noch gesprochen haben. Doch darüber später.“ Mister Palmer blickte ein wenig säuerlich in sein Sektglas. „Wie er so ohne weiteres verschwinden konnte, bleibt mir sowieso ein Rätsel. Aber Schwamm drüber.“
    „Er hat einfach seine Siebensachen genommen und ist zur Gangway getigert“, sagte Ulli Wagner so harmlos wie möglich. „Hätten wir ihm ein Bein stellen sollen oder was sonst?“
    „Ich würde ihm nur liebend gern ein paar Fragen gestellt haben“, erwiderte Mister Palmer.
    „Aber er wäre so stumm geblieben wie ein Fisch“, entgegnete Peter Finkbeiner. „Das sollen wir Ihnen bestellen, hat er ausdrücklich gesagt.“
    „Zum Sprechen gehören im allgemeinen mindestens zwei, und zum Schweigen auch“, meinte Mister Palmer. „Aber Schwamm drüber, wie gesagt.“
    „Wieso haben Sie überhaupt diesen Kopfsprung riskiert?“ fragte jetzt Mrs. Fuller den Chinesen Chang Lie wie aus heiterem Himmel.
    In diesem Augenblick wurden vom Oberdeck aus ein paar Feuerwerkskörper in den Himmel geschossen. Sie explodierten steuerbords in allen Regenbogenfarben, die Bordkapelle spielte einen Tusch, und die Passagiere riefen „Ah“ und „Oh“.
    „Irgendwie war ich ja immer noch verdächtig“, Chang Lie lächelte. „Wenn ich jetzt verhindern könnte, daß dieses weiße Motorboot das Bild entführt, wäre mit einem Schlag klar gewesen, daß ich mit der ganzen Sache nichts zu tun habe.“
    „Sie glaubten also, die Mona Lisa sei tatsächlich in dem Koffer?“ fragte Ulli Wagner.
    „Das haben wir beide geglaubt“, warf Herr Latenser ein. „Bis wir schließlich merkten, daß wir auf einen verdammten Schwindel reingefallen sind. Das dauerte allerdings eine Weile. Der Neger in dem Motorboot verstand uns nämlich überhaupt nicht, und der Dicke mit der Wiese auf der Brust begriff nur jedes zehnte Wort. Aber schließlich konnten sie uns doch erklären, daß sie nur den Auftrag bekommen hatten, zu einer bestimmten Zeit einen leeren Koffer am Schiff abzuholen. Dafür waren sie so blendend bezahlt worden, daß sie notfalls auch Ärger mit der Hafenpolizei in Kauf genommen hätten. Wir durften den Koffer auch anstandslos untersuchen. Er war tatsächlich so leer wie eine Konservendose im Mülleimer. Die beiden brachten uns an Land, und Chang Lie stoppte dann dieses Auto von einer Malerwerkstatt, das uns noch gerade rechtzeitig zurückgebracht hat.“ Herr Latenser prostete dem Chinesen zu. „Nochmals besten Dank.“
    „Und ich möchte mich bei Ihnen entschuldigen, Herr Chang Lie“, sagte Mister Palmer. „Aber Ihr

Weitere Kostenlose Bücher