Der gelbe Handschuh
offen an die Bar setzen oder von Kabine zu Kabine miteinander telefonieren. Trotzdem hatte Mister Palmer auf diesen Kontrollgängen bestanden. Und er hatte abschließend gesagt: „Ohne Fleiß kein Preis.“
So stiefelten die beiden Herren von Lloyd’s London also noch stundenlang durch das Schiff.
Auf dem Sonnendeck lag Herr Latenser in einem Liegestuhl. Eine Flasche stand in seiner Reichweite, und er hatte ein Glas in der Hand. Mister Palmer entdeckte i hn erst, als er fast schon über seine Füße gestolpert wäre.
„Immer noch munter auf den Beinen?“ fragte Herr Latenser freundlich.
„Und Sie betrachten wieder einmal die Sterne?“ fragte Mister Palmer zurück.
„Ich kann es einfach nicht lassen“, antwortete Herr Latenser. „Allerdings hat sich das Kreuz des Südens heute schon ziemlich früh verdrückt.“
Kurz nach Mitternacht zogen sich auch die Herren der Londoner Versicherungsgesellschaft in ihre Kabinen zurück.
„Bis morgen, Mister Palmer.“
„Gute Nacht, Inspektor.“
Mister Palmer blätterte noch eine Weile in der neuesten Nummer der Times, die man gestern aus Bridgetown an Bord gebracht hatte. Es war die Ausgabe aus hauchdünnem Luftpostpapier.
Mister Palmer überflog zuerst die Titelseite, dann las er von einem Bankeinbruch in Liverpool, von einem Fünfuhrtee im Buckingham Palace und vom Streik der Hafenarbeiter in London. Bei den Wetternachrichten schlief er ein.
Mister Palmer kommt mit einem Blumenstrauß
Der entscheidende Tag fing mit Regen an.
Schon in der Nacht wurde die Luft feucht und drückend.
Morgens waren dann die Decks beschlagen, und die Bezüge der Liegestühle schwitzten.
Schließlich ballte sich am Horizont ein graues Wolkengebirge zusammen, schob sich vor die Sonne und bedeckte schon eine Viertelstunde später den ganzen Himmel. Gleich darauf fielen die ersten schweren Tropfen.
„Ob er trotzdem kommt?“ fragte Ulli Wagner, kurz bevor er auf dem Oberdeck ins Schwimmbassin hüpfte.
„Hoffentlich“, erwiderte Peter Finkbeiner und sprang hinter Ulli her. Als er wieder auftauchte, meinte er noch: „Wir müssen es ihm so schonend wie möglich beibringen.“
„Allmählich müßtest du wissen, wie feinfühlend ich bin“, japste Ulli Wagner. Er pumpte sich die Lungen voll und war für eine Weile unsichtbar.
Als er wieder auftauchte, kam der Junge mit dem Bürstenhaarschnitt in seiner knallbunten Badehose über das klitschnasse Deck getrabt. Und zwar mit einem aufgespannten Regenschirm.
„Den hat der Affe gebissen“, Ulli lachte, „ich werde glatt verrückt.“
„Das war nicht meine Idee“, sagte Fuller junior. „Aber meine Tante hätte mich ohne Schirm gar nicht aus der Kabine gelassen.“
„Ist ja egal“, rief Peter Finkbeiner.
„Übrigens guten Morgen, ihr Berliner Pfannkuchen.“ Jetzt lachte auch Ronny. Er sprang los und glänzte wieder einmal mit seinem zweifachen Salto, bevor er ins Wasser klatschte.
Das Gewitter braute sich immer mehr zusammen. Der Donner rumpelte über den inzwischen schwarz gewordenen Himmel, und dann gab es einen Wolkenbruch, der sich gewaschen hatte. Das Schiff stampfte gegen die Wellen, und das Wasser im Schwimmbassin schwappte von einer Seite zur anderen.
„Kinder, macht das Spaß!“ schrie Ulli Wagner. Er drehte sich, tauchte, stieß sich vom Boden ab und schoß wieder nach oben.
Die beiden anderen blieben lieber auf dem Rücken liegen und ließen sich die Gesichter vollregnen.
Ein paar Seevögel flatterten vorbei, und der kleine Ulli Wagner drehte sich weiter wie eine Schiffsschraube.
„Das ist einfach schön“, sagte Peter Finkbeiner.
„Ja“, erwiderte der Bürstenhaarschnitt, „es ist schön.“
Sie machten die Augen zu und ließen es sich wohl sein.
Erst nach einer ganzen Weile fragte Ronny: „Was ist eigentlich mit Chang Lie?“
„Er steht noch unter Verdacht und muß in seiner Wäscherei bleiben“, antwortete Peter, ohne die Augen aufzumachen. „Gut, daß du von ihm redest. Wir haben nämlich über alles noch einmal nachgedacht und überlegt, wer uns vielleicht weiterhelfen könnte.“
„Und wer ist das?“ fragte Ronny. „Wer könnte euch vielleicht weiterhelfen?“
„Wir dachten an deine Tante“, antwortete Peter Finkbeiner vorsichtig.
„Das ist ein ganz ausgezeichneter Einfall“, sagte in diesem Augenblick eine Stimme.
Die beiden Jungen fuhren herum, und auch Ulli Wagner lag plötzlich wie erstarrt im Wasser.
Hinter ihnen stand Herr Latenser in seinem altmodischen Anzug am
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