Der gelbe Handschuh
Pferdegebiß, „ich möchte einen Vorschlag machen.“ Er legte sein Instrument auf den Stuhl hinter dem Notenständer und kam in die Mitte des Podiums. „Lassen Sie uns Frage und Antwort spielen. Das hat auf unseren anderen Reisen allen Passagieren immer sehr viel Spaß gemacht.“
„Und wie soll das funktionieren?“ fragte Juwelier Schmidt aus Düsseldorf.
„Ganz einfach“, erklärte das Pferdegebiß. „Jeder darf jeden fragen, was er will.“
„Und wenn man gefragt wird, muß man auch unbedingt antworten?“ wollte der Tankstellenbesitzer aus Liverpool wissen.
„Man darf die Antwort verweigern“, erklärte der rothaarige Posaunist. „Aber wenn Sie die Frage annehmen, dürfen Sie nicht schwindeln. Das heißt, daß Ihre Antwort ganz ehrlich sein sollte.“
„Probieren wir’s doch mal“, rief eine Dame mit blau-gefärbter Perücke.
„Vielleicht fangen Sie gleich mit der ersten Frage an?“ lachte das Pferdegebiß. „Und sagen Sie bitte, wer Ihnen antworten soll.“
Schon fünf Minuten später war der ganze Saal nur noch eine große Schulklasse. Die Passagiere meldeten sich mit ausgestreckten Armen und waren enttäuscht, wenn sie nicht gleich aufgerufen wurden. Wie Schüler, die zufällig einmal Bescheid wissen. Die Fragen und Antworten flogen von einem Tisch zum anderen wie Tennisbälle.
Zwischendurch wurde immer wieder gelacht und in die Hände geklatscht.
„Was würden Sie machen, wenn Sie eine Handtasche mit einer halben Million finden und wissen mit absoluter Sicherheit, daß man Sie dabei nicht beobachtet hat?“
„Natürlich würde ich die Handtasche sofort zum Fundbüro bringen“, antwortete Mrs. Fuller. Sie saß zusammen mit den Berliner Familien an einem Tisch.
„Mit oder ohne Inhalt?“ fragte jetzt der rothaarige Posaunist dazwischen.
Der ganze Saal wieherte, und falls Mrs. Fuller noch etwas gesagt hatte, konnte es kein Mensch verstehen.
Mister Palmer lehnte zusammen mit Inspektor Brown an der Bar neben dem Eingang. Sie beobachteten den Streichholzfabrikanten Wilkinson, der mit seinem englischen Bart und den buschigen Augenbrauen ziemlich dicht am Podium saß. Auch er lachte und klatschte in die Hände. Dabei beugte er sich jetzt ein wenig zur Seite und fragte: „Geht es Ihnen auch wirklich wieder besser?“
„Besten Dank“, antwortete Monsieur Prunelle. „Der Arzt hat mir ein paar Tabletten gegeben, und ich habe zum erstenmal wieder geschlafen wie ein Waschbär. Doch, ich fühle mich wieder ganz gut.“ Er lächelte. „Jedenfalls den Umständen entsprechend.“ Und dann drehte er sich um und sagte gleichzeitig: „Ja, bitte?“
Die Dame mit der blauen Perücke hatte ihn nämlich zur Beantwortung einer Frage aufgerufen.
„Ich habe leider nicht zugehört“, sagte der Museumsdirektor aus Paris. „Würden Sie Ihre Frage freundlicherweise wiederholen?“
„Wenn Sie einen einzigen Wunsch hätten, der Ihnen aber bestimmt erfüllt wird, was würden Sie sich wünschen?“
„Im Augenblick brauche ich darüber überhaupt nicht nachzudenken“, antwortete Monsieur Prunelle ziemlich leise.
„Oh, das war gedankenlos von mir“, entschuldigte sich die Dame.
Die Passagiere blickten plötzlich ein wenig verlegen auf ihre Tische, und Mrs. Fuller sagte: „Was da passiert ist, bedauern wir alle sehr.“
„Das Spiel geht weiter!“ rief das Pferdegebiß und knallte in die Hände, weil er keine trübe Stimmung aufkommen lassen wollte.
„Dann möchte ich jetzt Mister Wilkinson eine Frage stellen“, erklärte Mrs. Fuller und drehte ihren Rollstuhl herum, so daß die Gummireifen quietschten.
„Da bin ich aber gespannt“, meinte der Streichholzfabrikant, der aussah wie ein gealterter Baseballspieler.
„Es gibt in der Welt einige Dinge, die man auch für viel Geld nicht kaufen kann“, sagte Mrs. Fuller.
„Kein Widerspruch“, entgegnete Mister Wilkinson.
„Wenn Sie nun zum Beispiel Briefmarken sammeln würden und wären ganz verrückt nach einer blauen Mauritius“, fragte Mrs. Fuller, „was würden Sie tun?“
„Ich muß Ihnen leider widersprechen“, sagte Mister Wilkinson. „ Die blaue Mauritius gehört nicht zu den Dingen, die unverkäuflich sind. Es gibt meines Wissens fünfundzwanzig Exemplare, die immer wieder angeboten werden.“ Er schüttelte den Kopf. „Ich persönlich würde keinen Dollar dafür bezahlen.“
„Und weshalb nicht?“ fragte die Frau des Juweliers aus Düsseldorf neugierig.
„Weil ich mich für Briefmarken überhaupt nicht
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