Der gelbe Handschuh
Beckenrand. Er hatte Ronnys Schirm aufgespannt und lächelte. „Entschuldigen Sie, wenn ich mich ohne Ihr Einverständnis bedient habe. Aber der Regen hier draußen wird immer ungemütlicher.“
„Haben Sie etwa zugehört?“ fragte Peter ärgerlich. „Es blieb mir leider gar nichts anderes übrig“, bedauerte Herr Latenser. „Übrigens ist Ihre Idee wirklich ganz ausgezeichnet, wie gesagt. Schließlich war Mrs. Fuller sozusagen der Motor. Wir Passagiere hätten dieses wunderschöne Bild ja nie betrachten dürfen, wenn sie nicht so sehr für das Ausstellen eingetreten wäre.“ Er blinzelte wieder einmal vergnügt durch seine starken Brillengläser: „Ich hätte mir nicht im Traum einfallen lassen, daß euch die Sache so beschäftigt.“
„Ja, sie beschäftigt uns“, gab der Junge mit dem Bürstenhaarschnitt zu. „Und wie ist das bei Ihnen?“
„Nun“, erwiderte Herr Latenser. „Sie beschäftigt mich gleichfalls. Aber da befinde ich mich ja in guter Gesellschaft.“ Er lächelte höflich. „Außerdem ist wohl das ganze Schiff an einer schnellen Aufklärung interessiert. Noch einen angenehmen Tag allerseits.“
Er stellte den Schirm wieder aufs Deck und stapfte durch den Regen davon.
„Aus so was soll ein Mensch nun klug werden“, stöhnte Ulli Wagner.
Eine halbe Stunde später verkündete der Junge mit dem Bürstenhaarschnitt: „Die Detektive aus Berlin.“ Dabei schloß er im Sonnendeck die Kabinentür hinter den Herren Finkbeiner und Wagner samt ihren beiden Kindern.
Mrs. Fuller thronte in ihrem Rollstuhl und sagte freundlich: „Guten Morgen! Bitte nehmen Sie Platz.“
„Hoffentlich stören wir Sie nicht“, bemerkte Herr Wagner.
Und Apotheker Finkbeiner meinte noch: „Eigentlich fühle ich mich nicht ganz wohl in meiner Haut. Wenn Kinder Detektiv spielen, schön und gut. Aber Erwachsene sollten sich dafür zu erwachsen sein.“
„Das finde ich überhaupt nicht“, erwiderte Mrs. Fuller. „Aber darüber unterhalten wir uns gelegentlich unter vier Augen.“ Sie lächelte vergnügt. „Und jetzt schießen Sie los! Ich würde Ihnen und diesem Chang Lie nämlich sehr gern behilflich sein.“
„Sie wissen schon, weshalb wir Sie sprechen wollen?“ fragte Peter verwundert.
„Ich kann es mir denken“, gab Mrs. Fuller zu, „Ronny hat mir das Wichtigste erzählt.“
„Um so besser“, bemerkte Herr Finkbeiner und holte sich eine Zigarre aus dem Jackett. Aber beinahe im gleichen Augenblick sagte er: „Oh, Entschuldigung“ und steckte sie wieder ein. „Aber rauchen Sie doch“, meinte Mrs. Fuller.
„Sehr freundlich, aber das hat Zeit“, entgegnete der Apotheker. „Und jetzt schlage ich vor, daß zuerst unsere Herren Söhne zu Wort kommen.“
„Einverstanden“, bemerkte Herr Wagner und lehnte sich tiefer in den Sessel.
„Also, ich spitze die Ohren“, gab Mrs. Fuller bekannt. Die beiden Jungen aus Berlin blickten sich an, und dann legten sie los. „Sie erinnern sich an den Tag, als wir an Trinidad vorbeigedampft sind?“ fragte Peter.
„Ich erinnere mich“, entgegnete Mrs. Fuller.
„Wir sitzen mittags im Speisesaal“, fuhr Ulli Wagner fort. „Und kurz vor der Nachspeise klopfen Sie mit Ihrem Kaffeelöffel an eine Weinkaraffe...“
In diesem Augenblick klopfte der Kabinensteward an die Tür und fragte dann, ob der Besuch von Mister Palmer angenehm wäre.
„Kommen Sie rein!“ rief Mrs. Fuller. „Es sieht so aus, als hätte ich heute Audienztag.“
Mister Palmer hatte einen großen Blumenstrauß mitgebracht. Trotzdem wollte er gleich wieder verschwinden, als er sah, daß alle Sessel schon besetzt waren. „Es ist wohl besser, wenn ich später wiederkomme“, stammelte er. „Ich hoffte Sie allein anzutreffen.“
„Seien Sie kein Frosch“, lachte die Frau im Rollstuhl. „Sie sehen, die Herren machen Ihnen schon Platz.“
Ulli und Peter hatten sich nämlich bereits auf den Teppich gesetzt.
„Darf ich mir gestatten?“ sagte jetzt Herr Palmer und überreichte seinen Blumenstrauß. „Die Auswahl an Bord ist leider nicht besonders groß.“
„Aber Sie täuschen sich, wenn Sie glauben, ich hätte Geburtstag.“
„Nur eine kleine Aufmerksamkeit“, bemerkte Mister Palmer und nahm Platz. „Scheußlich, dieser Regen.“
„Ich fürchte, daß Sie mit mir nicht übers Wetter plaudern wollen“, sagte Mrs. Fuller. „Für einen Mann, dem das Feuer unter der Hose brennt, ist das kein Gesprächsthema. Sagen Sie mir in wenigen Worten, was ich für Sie tun
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