Der gemietete Mann: Roman (German Edition)
– und noch weniger das Selbstbewusstsein, das die alten Knaben an den Tag legten. Scheinbar passte die Frau Mitte vierzig genau ins Beuteschema dieser vitalen Rentner. Die Welt ist ungerecht, dachte sie und hängte das Handtuch zurück. Sie knipste das Licht aus, verließ das Badezimmer und ging direkt zu Rita, die wieder an ihrem Schreibtisch saß und mit ihren perfekt manikürten und lackierten falschen Fingernägeln laut klackend die Tastatur des Computers bearbeitete.
Neidisch betrachtete Kristina diese Nägel. Für sie kam so etwas nicht in Frage. Rita konnte diese Waffen einsetzen, um ihre Tastatur zu malträtieren und mit ihren Liebhabern herumzuspielen. Aber zum Massieren waren diese Nägel komplett unbrauchbar. Kristina seufzte. An Rita war alles perfekt. Sie war geschminkt und frisiert wie für einen Fototermin, und auch ihr Outfit war wie immer makellos durchgestylt.
„Alles okay?“ Rita schaute kurz auf und musterte sie. „Deine Selbstgespräche nehmen bedenkliche Formen an. Passiert dir das auch auf der Straße?“
„Ja, wenn ich an der Ampel stehe. Die kann wenigstens zuhören.“ Sie grinste ihre Freundin schief an. „Ist Claussen weg?“
Rita nickte und wedelte mit einem Stück Papier vor ihrer Nase herum. „Das hat er für dich dagelassen.“
„Wieder ein Gutschein für einen Fallschirmsprung?“, fragte Kristina und verzog das Gesicht. „Wie deppert muss ich sein, um so was freiwillig zu tun?“ Sie ließ sich auf die Kante von Ritas Schreibtisch sinken. „Verdammt heiß heute.“
„Eine Klimaanlage wäre jetzt genau das Richtige. Und die sind gar nicht so teuer.“ Rita unterbrach ihre Arbeit am Computer und fischte ein paar bedruckte Blätter aus der Ablage. „Hier, ich habe mal recherchiert, was so ein Einbau kosten würde.“
Kristina nahm die Zettel, warf einen flüchtigen Blick darauf und legte sie zurück auf den Tisch. „Schau ich mir heute Abend an.“ Wie alles in ihrem Leben war auch so etwas Profanes wie eine Klimaanlage keine spontane Entscheidung. So etwas musste wohlüberlegt sein.
„Aber vergiss es nicht“, mahnte Rita sie. „Und jetzt hast du das Vergnügen mit Frau von Dannewald.“ Bei diesen Worten rollte sie dramatisch die Augen und fügte hinzu: „Das Schätzchen erwartet dich bereits. In der Zwei.“
„Heute bleibt mir nichts erspart.“ Kristina sank kurz in sich zusammen, dann straffte sie sich und ging zum Behandlungsraum Zwei.
„Übrigens hat Sophie vorhin angerufen“, rief Rita ihr hinterher. „Sie kommt später vorbei.“
Kristina hatte den Türgriff schon in der Hand. „Was will sie denn?“
„Was glaubst du? Du solltest deine Tochter doch inzwischen kennen.“ Rita betrachtete Kristina spöttisch. „Zimmer mit Kost und Logis und das alles für umsonst.“
„Nicht schon wieder.“
„Ich fürchte, doch. Der Frieden dauert schon viel zu lange.“
Kristina schüttelte den Kopf und öffnete die Tür zum Behandlungsraum. „Hallo Frau von Dannewald. Schön, Sie zu sehen. Gut sehen Sie aus.“ Schmeicheleien gehörten zum Service.
Die Frau warf ihr einen leidenden Blick zu. „Mein Rücken bringt mich um. Sie müssen mich von diesen grausamen Schmerzen befreien.“
„Dafür bin ich da, Frau von Dannewald“, erwiderte sie und schenkte der Frau ein mitfühlendes Lächeln. Seltsam, sie wird ihrem Mops immer ähnlicher, schoss es ihr durch den Kopf. „Legen Sie ab und machen Sie sich es auf der Liege bequem. Ich hole inzwischen die Fangopackung.“
Kristina verließ das Zimmer. Rita war gerade dabei, zusammenzupacken.
„Du gehst schon?“, erkundigte sich Kristina.
„Die Frengin lässt die Arbeit ruh’n und freut sich auf den Afternoon“, gab ihre Freundin zurück und summte vergnügt. „Noch nicht, aber bald.“
„Ich habe den falschen Job.“
„Augen auf bei der Berufswahl“, entgegnete Rita. „Sobald du mit der Dannewald fertig bist, muss ich los. Ich habe einen Termin bei Dr. Sommerfeld. Du weißt schon. Meine Stirn wirft Falten. Ich sehe ja schon aus wie ein tibetanischer Faltenhund.“
„Falten?“ Kristina musterte sie. „Wo denn?“
„Das sind ja schon fast Furchen“, meinte Rita und ignorierte den Einwand. Mit gerolltem R fränkelte sie dann munter: „Ich brrrauche drrringend Bodox. Keine Ambulle, sondern einen ganzen Eimerrr.“
„Du vergisst dich schon wieder. Dein Dialekt!“, zog Kristina sie auf.
„Pah!“ Rita sah sie streng an. „Ein bisschen was von dem Zeug über deinen Brauen und hier bei
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