Der Genesis-Plan SIGMA Force
Eigentlich hätte er gemeint, das Nagelbett sei entzündet, doch stattdessen wirkten die Fingernägel eigentümlich blass.
Erfrierungen?
Gunther reichte ihm ein Telefon, bemerkte Painters Besorgnis und schüttelte den Kopf. Er streckte die Hand vor. Zunächst begriff Painter nicht, was das sollte – dann sah er, dass an drei Fingern die Nägel fehlten.
Gunther ballte mehrmals hintereinander die Hände zu Fäusten. Dann rührte das Brennen also nicht von Erfrierungen her, sondern von der Quantenkrankheit. Er dachte an Annas Aufzählung der Verstümmelungen, die bei den Testpersonen aufgetreten waren: Verlust von Fingern, Ohren, Zehen. Ganz ähnlich wie bei der Leprakrankheit.
Wie viel Zeit blieb ihnen noch?
Während sie zur anderen Bergseite marschierten, musterte Painter Gunther von der Seite. Der Mann hatte sein ganzes Leben unter einem Damoklesschwert verbracht. Chronische und progressive Auszehrung, gefolgt von Wahnsinn. Painter litt sozusagen unter der Reader’s-Digest-Version dieser Krankheit. Er musste sich eingestehen, dass er Angst hatte – weniger vor den Verstümmelungen als vielmehr vor dem Wahnsinnigwerden.
Gunther hatte seine Gedanken offenbar erraten. »Ich werde nicht zulassen, dass Anna das Gleiche passiert«, brummte er. »Ich werde alles tun, um das zu verhindern.«
Painter rief sich in Erinnerung, dass die beiden Geschwister waren. Erst nachdem er das erfahren hatte, waren ihm auch die Ähnlichkeiten aufgefallen: ähnliche Lippen- und Kinnform, gleichartige Stirnfalten. Damit endeten die Gemeinsamkeiten aber auch schon. Annas dunkles Haar und ihre smaragdgrünen Augen standen in krassem Gegensatz zur blassen Erscheinung ihres Bruders. Gunther aber war unter der Glocke geboren worden, ein Kindesopfer, der Zehnte in Blut, der Letzte der Sonnenkönige.
Während sie durch die Gänge schritten und Treppen hinunterstiegen, öffnete Painter das Akkufach des Telefons. Er steckte die Abdeckplatte in die Tasche, löste den Akku und verband seinen Verstärker mit dem unter dem Akkufach befindlichen Antennendraht. Die Übertragung würde nur wenige Sekunden dauern, doch das sollte eigentlich reichen.
»Was machen Sie da?«, fragte Gunther.
»Das ist ein GPS -Detektor. Der Verstärker hat die Chip-Spezifikation des Telefons gespeichert, das der Saboteur benutzt hat. Wenn er in der Nähe ist, kann ich ihn damit vielleicht aufspüren.«
Gunther brummte zufrieden gestellt und kaufte ihm die Lüge ab.
So weit, so gut.
Die Treppe mündete auf einen Gang, der so breit war, dass ein Panzer hindurchgepasst hätte. Alte Schienen führten tiefer in den Berg hinein. Die Landeplattform lag am anderen Ende, von der eigentlichen Burg abgeschirmt. Sie kletterten auf einen Flachbettwagen. Gunther löste die Handbremse und schaltete mit einem Fußpedal den Elektromotor ein. Es gab keine Sitze, nur ein Geländer. Painter hielt sich daran fest, während sie durch den Gang glitten. In regelmäßigen Abständen waren Lampen an der Decke befestigt.
»Dann gibt es hier also sogar eine U-Bahn«, meinte Painter.
»Um den Nachschub heranzuschaffen«, erklärte Anna gequält. Auf dem Weg hierher hatte sie zwei Tabletten geschluckt. Ein Schmerzmittel?
Sie kamen an mehreren Lagerräumen vorbei, in denen Fässer, Kartons und Kisten gestapelt waren. Das alles war umständlich eingeflogen worden. Bald darauf hatten sie den Endpunkt der Schiene erreicht. Es war wärmer geworden. Die Luft war feucht und roch leicht nach Schwefel. Sie stiegen ab. Ein tiefes Brummen kam aus dem Boden, das sich bis in die Beine fortpflanzte. Painter, der sich die Schemazeichnung der Burg eingeprägt hatte, wusste, dass sich in der Tiefe das geothermische Kraftwerk befinden musste.
Sie aber wandten sich nach oben, nicht nach unten.
Eine Rampe führte in die Höhe, breit genug für einen Jeep. Sie gelangten in einen großen Raum. Durch eine offene Stahltür in der Decke strömte Tageslicht herein. Man hatte den Eindruck, man befände sich im Lager eines Flughafens: Es gab Kräne, Gabelstapler, schweres Gerät. Und in der Mitte des Raums standen zwei Helikopter vom Typ A-Star Ecuriel, der eine schwarz, der andere weiß; beide erinnerten an zornige Hornissen, tauglich für Flüge in großer Höhe.
Klaus, der hünenhafte Sonnenkönig, hatte sie bereits bemerkt. Er wandte ihnen das gesunde Auge zu und kam ihnen entgegen. Ohne die anderen zu beachten, sprach er Anna an: » Alles g e sichert !«, meldete er schneidig.
Er deutete mit dem Kinn zu
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