Der Genesis-Plan SIGMA Force
»Das ist alles eine Frage der Symptomstärke und des Alters, in dem die Strahlung aufgenommen wurde. In utero bestrahlte Föten zeigten Verbesserungen, die mit einer lebenslangen chronischen Degeneration einhergingen. Bei Erwachsenen hingegen, die wie Painter und ich einer schwachen , undosierten Strahlung ausgesetzt waren, verläuft der Verfall schneller. Bei den Mönchen hingegen, die eine hohe Strahlungsmenge aufgenommen hatten, setzte der geistige Verfall unverzüglich ein.«
»Und die Sonnenkönige?«, fragte Painter.
»Auch für deren Krankheit gibt es kein Heilmittel. Während wir uns von der Glocke Heilung erhoffen können, gilt das nicht für die Sonnenkönige. Die im Mutterleib aufgenommene Strahlung macht sie gegen die Glocke anscheinend immun – im Guten wie im Schlechten.«
»Und als sie wahnsinnig wurden …?« Painter stellte sich vor, wie wahnsinnige Übermenschen in der Burg wüteten.
»Das war eine Bedrohung für unsere Sicherheit. Die Menschenversuche wurden schließlich eingestellt.«
Painter vermochte seine Überraschung nicht zu verhehlen. »Sie haben die Forschung eingestellt?«
»So kann man das nicht sagen. Die Menschenversuche haben sich als ineffizient erwiesen. Es dauerte einfach zu lange, bis die Ergebnisse beurteilt werden konnten. Deshalb verwendeten wir andere Modelle. Genetisch modifizierte Mäuse, in vitro gezüchtetes Fetalgewebe, Stammzellenlinien. Nachdem das menschliche Genom analysiert worden war, konnten wir die Fortschritte mittels DNA -Tests schneller beurteilen. Das Forschungstempo zog an. Ich vermute, dass wir inzwischen wesentlich bessere Resultate erzielen würden, wenn wir das Projekt Sonnenkönige fortsetzen würden.«
»Warum haben Sie das nicht getan?«
Anna zuckte die Schultern. »Bei den Mäusen tritt immer noch Demenz auf. Das bereitet uns Sorge. Vor allem aber haben wir die Menschenversuche deshalb eingestellt, weil sich unser Interesse in der vergangenen Dekade eher wissenschaftlichen Themen zugewandt hat. Wir sehen uns nicht als Geburtshelfer einer neuen Herrenrasse. Wir sind wirklich keine Nazis mehr. Vielmehr glauben wir, dass unsere Arbeit irgendwann der ganzen Menschheit nutzen wird.«
»Warum kommen Sie dann nicht aus der Deckung?«, fragte Lisa.
»Um uns den Gesetzen zu unterwerfen und uns von Ignoranten Vorschriften machen zu lassen? Die Wissenschaft ist kein demokratischer Prozess. Willkürliche moralische Beschränkungen würden die Entwicklung nur verlangsamen. Das ist unannehmbar.«
Painter musste sich beherrschen, um nicht zornig zu schnauben. Offenbar hatte man hier die Naziideologie doch noch nicht ganz hinter sich gelassen.
»Was wurde aus den Sonnenkönigen?«, fragte Lisa.
»Das ist eine tragische Geschichte. Viele starben an degenerativen Effekten, andere wurden aufgrund ihres geistigen Verfalls euthanasiert. Einige wenige aber haben überlebt. Zum Beispiel Klaus, den Sie ja bereits kennengelernt haben.«
Painter dachte an den hünenhaften Kämpfer, seinen gelähmten Arm und die unbewegliche Gesichtshälfte, alles Anzeichen von Degeneration. Seine Aufmerksamkeit wandte sich Gunther zu, auch das ein Sonnenkönig.
»Gunther war der Letzte, der hier geboren wurde.«
Anna gab dem Hünen ein Zeichen.
Gunthers Stirnrunzeln vertiefte sich. Dennoch krempelte er gehorsam den Hemdsärmel hoch und entblößte den Oberarm. Eine schwarze Tätowierung kam zum Vorschein.
»Das Symbol der Sonnenkönige«, sagte Anna. »Ein Zeichen des Stolzes, des Pflichtbewusstseins und der Vollkommenheit.«
Gunther ließ den Ärmel wieder herunter.
Painter musste an die höhnische Bemerkung denken, die nach der gestrigen Schlittenfahrt einer der Männer Gunther hinterhergeschleudert hatte. Welchen Ausdruck hatte er gleich noch verwendet? Leprakönig . Offenbar genossen die ehemaligen Ritter des Sonnenkönigs nicht mehr viel Respekt. Gunther war der Letzte einer aussterbenden Art. Wer würde um ihn trauern?
Annas Blick verweilte einen Moment auf Gunther, dann wandte sie sich wieder Lisa und Painter zu.
Vielleicht würde es ja doch eine Trauernde geben.
Lisa, die immer noch Painters Hand hielt, ergriff wieder das Wort. »Eines ist mir noch unklar. Auf welche Weise bewirkt die Glocke all diese Veränderungen? Sie haben gemeint, es handele sich nicht um Zufallsmutationen.«
Anna nickte. »So ist es. Wir haben nicht nur die Wirkung der Glocke erforscht, sondern auch ihre Funktionsweise.«
»Und haben Sie dabei Fortschritte erzielt?«, fragte
Weitere Kostenlose Bücher