Der Geruch von Blut Thriller
Schandtaten zu beichten hat. Finn nimmt ihr das nicht übel. Vertrauen ist nirgends leicht zu finden.
Als Nächstes wird sie auf Roz zu sprechen kommen. Nur um nochmal zu hören, dass manche Beziehungen selbst unter widrigsten Bedingungen funktionieren. Und auch, weil sie Roz nicht leiden kann und ihn daran erinnern möchte. Roz ist allein deshalb hier, weil sie und Finn nur als Paket zu haben waren, und das hat Judith immer gewurmt.
»Was passiert, wenn Roz davon erfährt?«
»Ich erzähle Roz alles.«
»Sie weiß von der Sache mit Vi?«
Indirekt hat er die Frage schon beantwortet, aber Judith braucht immer noch eine Extrabestätigung. Sie erinnert ihn an die Staatsanwälte, mit denen er früher zu tun hatte und die immer auf derselben Information herumkauten.
Die Sache mit Vi. Das Ereignis. Er hat Judith das alles schon vor drei Monaten erzählt, als Vi zum ersten Mal mit ihm geflirtet hat.
»Ja«, sagt er.
»Da bin ich aber froh.«
»Wirklich?«
»Das habe ich doch gerade gesagt. Ja.«
Er will sie fragen, warum, lässt es aber sein.
Das hier ist nicht Peyton Place , aber immer, wenn man Männer und Frauen zusammen an einen so einsamen
Ort wie St. Valarian’s steckt, in eine ländliche, dem Verfall ausgesetzte Gegend wie Three Rivers, wird man es mit all diesem melodramatischen Scheiß zu tun haben. Er wusste, dass es passieren würde, er wusste nur nicht, dass es ihm passieren würde.
Ihm wird klar, dass er Judith weder besänftigen noch ihr helfen kann, und dass er ihr einfach die nächsten zwei Wochen aus dem Weg gehen sollte, bis der Unterricht wieder beginnt. Er steht auf und wartet darauf, dass sie ihn fragt, ob sie zusammen zu Abend essen, aber es kommt nichts. Er ist erleichtert und belässt es dabei.
»Was hast du in den Ferien vor?«, fragt sie.
»Roz und ich verbringen Silvester in der Stadt. Wir leisten uns drei Tage im Plaza. Wir haben im Tavern on the Green reserviert.«
»Aus welchem Anlass? Willst du ihr endlich einen Heiratsantrag machen?«
Finn antwortet nicht.
Aber Judith wartet. Sie hat noch nicht genug Dramatik rausgeholt.
Die Wahrheit ist, dass Finn Angst hat, mehr Zeit allein mit Roz zu verbringen. Und er weiß nicht, warum, nach all den Jahren. Sie hat ihm gutgetan, so gut wie es irgend ging. Vielleicht liegt es an der Stadt. Manhattan war früher der Mittelpunkt der Welt für ihn. Das Leben, der Schmutz, die Hitze. Jetzt werden sie in einer Suite im Plaza herumhängen und zwei Tausender die Nacht zahlen, um in einem größeren und weicheren Bett Liebe zu machen. Das Essen wird besser sein. Die Aussicht wird toll sein - für Roz zumindest. Sie werden sich ein Musical auf dem Broadway ansehen. Sie wird denken,
dass er es genießt. Was nicht der Fall sein wird. Aber er wird dasitzen, lächeln und applaudieren, wie man es vom ihm erwartet. Die anderen Besucher werden froh sein, dass er keinen Blindenhund dabeihat, dessen Haare nachher an ihrer Abendgarderobe kleben.
Finn hat mal einen kleinen Mafioso aus dem Plaza geworfen, erst durch die Lobby und dann in den Springbrunnen vor der Tür. Nicht, dass er sich seiner Verhaftung widersetzt hätte, Finn wollte ihn nur lächerlich machen und ihm so richtig den Tag versauen. Finn weiß, wenn Roz und er im Hotel ankommen, wird er an den Kerl denken, und an andere wie ihn, die bündelweise schmutziges Geld für ihre Mädchen ausgeben. Roz wird eine Münze in den Brunnen werfen wollen, und er wird in der Sonne stehen und sich etwas wünschen müssen. Kleine romantische Gesten, die ihr früher nie wichtig waren, inzwischen aber eine größere Bedeutung bekommen haben. Sie braucht mehr von ihm, und er kann es ihr nicht geben.
Aber er muss es weiter versuchen. Deswegen fährt er mit ihr dorthin. Ein letzter verzweifelter Versuch. Ein weiterer Akt des Willens. Herauszufinden, ob er in einer Kutsche durch den Central Park fahren kann, während der Kutscher ihnen pittoreske Ecken zeigt und Finn dem endlosen Klappern der Hufe lauscht und die Pferdescheiße riecht, und überall lachen Kinder, und Roz drückt seinen Arm, und er grinst höflich und schluckt seine Schreie herunter.
»Finn?«
»Sagen wir mal so, nach den anregenden Schilderungen deines Eheglücks werde ich ernsthaft über eine Hochzeit nachdenken.«
»Wie geht es dir ansonsten?«
»Gut.«
»Und wie steht es mit den Alpträumen?«
So nennt sie seine Erinnerungsschübe, die immer dann eintreten, wenn er Blut riecht. Sie ist Wissenschaftlerin von ganzem Herzen und äußerst
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