Der Gesamtprozess der kapitalistischen Produktion
verstehn wir Rente im kategorischen Sinn des Worts. Zahlt der Pächter ein Pachtgeld, das einen Abzug bildet, sei es vom normalen Lohn seiner Arbeiter, sei es von seinem eignen normalen Durchschnittsprofit, so zahlt er keine Rente, keinen von Arbeitslohn und Profit unterschiednen, selbständigen Bestandteil des Preises seiner Ware. Es ist schon früher bemerkt worden, daß dies in der Praxis beständig vorkommt. Soweit der Lohn der Landarbeiter in einem Land allgemein unter das normale Durchschnittsniveau des Arbeitslohns herabgedrückt wird und daher ein Abzug vom Arbeitslohn, ein Teil des Arbeitslohns allgemein in die Rente eingeht, bildet dies keinen Ausnahmsfall für den Pächter des schlechtesten Bodens. In demselben Produktionspreis, der die Bebauung des schlechtesten Bodens zulässig macht, bildet bereits dieser niedrige Arbeitslohn einen konstituierenden Posten, und der Verkauf des Produkts zum Produktionspreis befähigt den Pächter dieses Bodens daher nicht, eine Rente zu zahlen. Der Grundeigentümer kann seinen Boden auch an einen Arbeiter verpachten, der zufrieden ist, alles oder den größten Teil dessen, was ihm der Verkaufspreis über dem Arbeitslohn gewährt, dem andren in der Form der Rente zu zahlen. In allen diesen Fällen wird jedoch keine wirkliche Rente gezahlt, obgleich Pachtgeld gezahlt wird. Wo aber der kapitalistischen Produktionsweise entsprechende Verhältnisse existieren, müssen Rente und Pachtgeld zusammenfallen. Es ist aber gerade dies normale Verhältnis, das hier zu untersuchen ist.
Wenn schon die oben betrachteten Fälle, worin wirklich, innerhalb der kapitalistischen Produktionsweise, Kapitalanlagen auf dem Boden stattfinden können, ohne Rente abzuwerfen, nichts entscheiden für unser Problem, so noch viel weniger die Verweisung auf Kolonialverhältnisse. Was die Kolonie zur Kolonie macht – wir sprechen hier nur von eigentlichen ackerbauenden Kolonien –, ist nicht nur die Masse der im Naturzustand befindlichen fruchtbaren Ländereien. Es ist vielmehr der Umstand, daß diese Ländereien nicht angeeignet, nicht unter das Grundeigentum subsumiert sind. Es ist dies, was den ungeheuren Unterschied macht zwischen den alten Ländern und den Kolonien, soweit der Boden in Betracht kommt: Die legale oder faktische Nichtexistenz des Grundeigentums, wie Wakefield 128 richtig bemerkt, und schon lange vor ihm Mirabeau père, der Physiokrat, und andre ältre Ökonomen entdeckt hatten. Es ist hier ganz gleichgültig, ob die Kolonisten ohne weiteres den Boden sich aneignen oder ob sie dem Staat unter dem Titel eines nominellen Bodenpreises in der Tat nur eine Gebühr für einen gültigen Rechtstitel auf den Boden zahlen. Es ist auch gleichgültig, daß schon angesiedelte Kolonisten juristische Eigentümer von Grund und Boden sind. Tatsächlich bildet hier das Grundeigentum keine Schranke für die Anlage von Kapital oder auch von Arbeit ohne Kapital; die Beschlagnahme des einen Bodenteils durch die bereits ansässigen Kolonisten schließt die neuen Ankömmlinge nicht von der Möglichkeit aus, neuen Boden zum Anwendungsfeld ihres Kapitals oder ihrer Arbeit zu machen. Wenn es also gilt zu untersuchen, wie das Grundeigentum auf die Preise der Bodenprodukte und auf die Rente wirkt, da wo es den Boden als Anlagefeld des Kapitals beschränkt, so ist es höchst abgeschmackt, von freien bürgerlichen Kolonien zu sprechen, wo weder die kapitalistische Produktionsweise in der Agrikultur, noch die ihr entsprechende Form des Grundeigentums existiert, das letztre überhaupt faktisch nicht existiert. So z.B. Ricardo in dem Kapitel über die Grundrente. Im Eingang sagt er, er wolle die Wirkung der Aneignung des Bodens auf den Wert der Bodenprodukte untersuchen, und gleich darauf nimmt er als Illustration die Kolonien, wo er unterstellt, daß der Grund und Boden relativ elementarisch vorhanden und seine Exploitation nicht durch das Monopol des Grundeigentums beschränkt ist.
Das bloße juristische Eigentum am Boden schafft dem Eigentümer keine Grundrente. Wohl aber gibt es ihm die Macht, seinen Boden solange der Exploitation zu entziehn, bis die ökonomischen Verhältnisse eine Verwertung desselben erlauben, die ihm einen Überschuß abwirft, sei es, daß der Boden zur eigentlichen Agrikultur verwandt werde, sei es zu andren Produktionszwecken, wie Bauten etc. Er kann die absolute Quantität dieses Beschäftigungsfeldes nicht vermehren oder vermindern, wohl aber seine auf dem Markt befindliche Quantität.
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