Der Geschmack der Liebe
lange wie sonst, und auch Hubertus Braun war die Erschütterung über den Tod des Chefs deutlich anzumerken. Luisa versuchte sich mit aller Kraft zusammenzureißen. Schrecklich genug, dass Maximilian Hansen so früh von ihnen gegangen war – er war doch noch gar nicht so alt! Aber dass sein Sohn ab heute hier das Sagen haben sollte, war fast genauso schlimm. Daniel war einfach völlig ungeeignet, die Rösterei zu leiten. Wegen seiner arroganten Art war er bei der Belegschaft alles andere als beliebt. Nein, der Junior würde nie damit aufhören, sich für etwas Besseres zu halten und seine Macht heraushängen zu lassen – gerade jetzt!
„Das ist doch alles nicht wahr, sag mir bitte, dass es nicht wahr ist“, Christine schüttelte verzweifelt den Kopf und sah ihre Schwiegermutter flehentlich an. Dann schweifte ihr Blick über die antiken Möbel und die fein strukturierte Seidentapete, die Maximilian und sie gemeinsam ausgesucht hatten. Tränen schossen Christine in die Augen, und sie ließ ihnen freien Lauf. Maximilian fehlte ihr so sehr, dass sie einen Moment glaubte, ihr Herz müsse in tausend Stücke brechen.
Eleonore wusste langsam nicht mehr, was sie noch sagen sollte. Nichts half, es gab einfach kein Wort, das wirklich tröstete. Nachdenklich betrachtete sie ihre Schwiegertochter, die nun damit begonnen hatte, im Zimmer auf und ab zu laufen. Dabei wiederholte sie immer wieder die gleichen Sätze, fast so wie ein Mantra, von dem sie hoffte, dass es den Tod ihres geliebten Mannes ungeschehen machen könnte. „Das kann nicht sein! Das alles ist nicht wahr!“
„Christine …“, versuchte Eleonore ein weiteres Mal, an ihre Schwiegertochter heranzukommen. Obwohl sie selbst den Kummer kaum ertragen konnte, versuchte sie Contenance zu bewahren.
„Nein, du verstehst mich nicht!“, erwiderte Christine. „Weil, weil …“
Der tiefe Schmerz brachte sie so durcheinander, dass es Christine schwerfiel, ihren Gedanken Ausdruck zu verleihen.
Voller Unruhe stand sie auf und öffnete die breite Flügeltür mit den Sprossenfenstern, die auf die Terrasse führte. Die Sonne strahlte. Normalerweise würde sie jetzt einige Runden im Pool drehen. Unvorstellbar, dass sie jemals unbeschwert das kühle Wasser genossen hatte – nie wieder würde etwas so sein wie früher.
Die Tränen flossen noch immer. „Das stimmt doch nicht! Irgendetwas daran ist nicht richtig!“
Eleonore trat zu ihrer Schwiegertochter, die geistesabwesend auf den Pool blickte. Sie schien sehr weit weg zu sein.
„Ich weiß, es kommt einem immer falsch vor, wenn man einen geliebten Menschen verliert. Mir kommt es doch genauso verkehrt vor.“ Vorsichtig berührte sie Christine an der Schulter. Doch die schüttelte wütend den Kopf.
„Nein! Max war gerade erst beim Arzt gewesen. Alles war in Ordnung, alles! Stark wie ein Ochse, hat Doktor Knebelkamp gesagt. Und dann fällt er einfach um? Vor meinen Augen? Einfach so? Da stimmt doch etwas nicht!“
Eleonore atmete tief durch. Ihre Schwiegertochter verrannte sich. Sie konnte Christines Gefühle nachempfinden. Als damals Wilhelm gestorben war, konnte sie die schreckliche Tatsache auch erst begreifen, nachdem ein Mann vom Beerdigungsinstitut ihr den Sarg noch mal geöffnet hatte. Aber das wollte sie Christine ersparen.
„Christine“, sagte sie vorsichtig, „Maximilian hatte einen Herzanfall. Du musst versuchen, das zu akzeptieren.“
Prüfend sah Eleonore ihre Schwiegertochter an. Sonst so sorgsam gepflegt, schien sie jetzt um Jahre gealtert. Die haselnussbraunen Augen, ehemals lebenslustig und fröhlich, hatten jeglichen Glanz verloren.
„Versuche, eine Kleinigkeit zu dir zu nehmen. Wenn du jetzt auch noch krank wirst …“, bat Eleonore sie, doch Christine drehte sich um und floh in ihr Schlafzimmer. Eleonore seufzte bekümmert. Jetzt lag wohl alles an ihr, auch wenn die Trauer um ihren einzigen Sohn sie zutiefst bedrückte. Die Beerdigung musste organisiert, die Geschäfte weitergeführt und der Nachlass geregelt werden. Immerhin hielt sie nun den größten Anteil der Rösterei. Zwar hatte sie damals ihrem Sohn unbedingtes Vertrauen ausgesprochen. Für Daniel galt das aber nicht. Der musste es sich erst verdienen. Während seiner Antrittsrede heute hatte er nicht gerade ein Händchen für Personalführung bewiesen. Am besten wäre es, wenn Christine woanders zur Ruhe kommen könnte, in Australien zum Beispiel, wo ihre Schwester Beatrix mit einem Farmer verheiratet war. Christine könnte
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