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Der Gesellschaftsvertrag

Der Gesellschaftsvertrag

Titel: Der Gesellschaftsvertrag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Jacques Rousseau
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Grundsätze klar und deutlich; er hat keine verwickelten, einander widersprechenden Interessen; das Gemeinwohl tritt überall sichtlich hervor, und es bedarf nur gesunder Vernunft, um es wahrzunehmen. Friede, Einigkeit und Gleichheit sind Feindinnen politischer Spitzfindigkeiten. Aufrichtige und einfache Menschen sind gerade ihrer Einfachheit wegen schwer hinter das Licht zu führen; für Betrügereien und bestechende Vorspiegelungen sind sie nicht empfänglich; sie sind nicht einmal fein genug, um sich überlisten zu lassen. Wenn man sieht, wie bei dem glücklichsten Volke auf Erden Scharen von Landleuten die Staatsangelegenheiten unter einer Eiche entscheiden und dabei stets mit großer Weisheit zu Werke gehen, kann man sich dann wohl erwehren, die Spitzfindigkeiten anderer Völker zu verachten, die sich mit einer solchen Fülle von Kunst und Geheimnistuerei berühmt und elend machen?
    Ein auf solche Weise regierter Staat hat nur wenige Gesetze nötig, und je notwendiger sich der Erlaß neuer macht, desto allgemeiner wird auch diese Notwendigkeit anerkannt. Wer sie zuerst vorschlägt, spricht nur aus, was schon alle längst gefühlt, und es ist nicht erst von Kabalen und Beredsamkeitsergüssen die Rede, um etwas zum Gesetz zu erheben, was jeder schon selbst zu tun beschlossen hat, sobald er nur sicher wäre, daß die anderen seinem Beispiele folgen würden.
    Was die Schwätzer namentlich täuscht, ist der Umstand, daß sie nur Staaten im Auge haben, die von ihrem Entstehen an eine schlechte Verfassung hatten, und es daher für unmöglich halten, eine derartige Politik durchzuführen. Sie lachen bei der Vorstellung von all den Dummheiten, die ein gewandter Schurke, ein Schmeichelredner dem Volk von Paris oder London auf schwätzen könnte. Sie wissen nicht, daß Cromwell von den Bernern ins Irrenhaus gesperrt und der Herzog von Beaufort von den Genfern ins Gefängnis geworfen worden wäre.
    Sobald aber das gesellschaftliche Band zu erschlaffen und der Staat schwach zu werden beginnt; sobald die Privatinteressen sich immer mehr geltend zu machen und die kleinen Gesellschaften auf die große einzuwirken anfangen: dann leidet das gemeinsame Interesse und findet Gegner; es herrscht keine Einstimmigkeit mehr; der allgemeine Wille ist nicht mehr der Wille aller; es erheben sich Widersprüche und Streitigkeiten, und die beste Ansicht wird nicht ohne lebhafte Wortgefechte angenommen.
    Kurz, besteht der seinem Untergange nahe Staat nur noch durch eine illusorische und leere Form; ist das gesellschaftliche Band in allen Herzen zerrissen; trägt der schnödeste Eigennutz schamlos den heiligen Namen des öffentlichen Wohles zur Schau: dann verstummt der allgemeine Wille; von geheimen Beweggründen geleitet stimmen alle dann so wenig staatsbürgerlich, als hätte es nie einen Staat gegeben, und unter dem Namen von Gesetzen bringt man fälschlicherweise unbillige Verordnungen zur Geltung, die nur das Privatinteresse bezwecken.
    Folgt etwa daraus, daß der allgemeine Wille vernichtet oder verfälscht sei? Nein, er ist immer beständig, unwandelbar und lauter; aber er ist anderen untergeordnet, die ihn überwiegen. Jeder, der sein Interesse von dem allgemeinen loslöst, sieht sehr wohl ein, daß er nicht imstande ist, es völlig davon zu trennen; aber sein Anteil an dem öffentlichen Elende scheint ihm im Hinblick auf das besondere Wohl, das er sich anzueignen gedenkt, gering und nichtig. Von diesem privaten Wohl abgesehen, will er schon um seines eigenen Vorteils willen das allgemeine Beste ebenso eifrig wie irgendein anderer. Sogar wenn er seine Stimme für Geld verkauft, vernichtet er den allgemeinen Willen nicht in sich; er umgeht ihn nur. Der Fehler, den er begeht, besteht in der Änderung der Fragestellung; er antwortet auf etwas ganz anderes, als er gefragt ist. Anstatt durch Abgabe seiner Stimme zu sagen: »Es ist dem Staate vorteilhaft«, sagt er: »Es ist diesem oder jenem Manne dieser oder jener Partei vorteilhaft, daß dieser oder jener Antrag durchgeht.« Auf diese Weise erfordert das Gesetz der öffentlichen Ordnung in den allgemeinen Versammlungen nicht so sehr, daß der allgemeine Wille erhalten bleibe, als daß er stets befragt wird und auch stets antwortet.
    Hier ließen sich noch allerlei Betrachtungen über das einfache Recht anstellen, bei jedem oberherrlichen Akte seine Stimme abzugeben, ein Recht, das den Staatsbürgern aus keiner Rücksicht entzogen werden darf, so wie über das Recht Anträge zu stellen,

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