0340 - Sinfonie des Schreckens
Für Minuten herrschte im Saal heillose Verwirrung. Jemand rief nach einem Arzt, obgleich Franco Samara tot war. Einige Bühnenarbeiter erschienen. Der Konzertmanager rang die Hände und stammelte unverständliche Wortfetzen. Jemand schnarrte Anweisungen. Langsam kehrten wieder Ruhe und Ordnung ein. Musikinstrumente wurden vorsichtig beiseite gelegt oder verpackt.
»Gott sei dank ist es nur die Probe«, keuchte Manager MacNife. »Nicht auszudenken, wenn das bei der Premiere passiert wäre…«
»Gott sei dank, reden Sie?« schrie Hawkens, der Pianist und hob die schmalen, gepflegten Hände, als wolle er sie dem Manager um den Hals klammern. »Franco ist tot! Tot, und Sie Mistkerl danken Gott! Wissen Sie überhaupt, was daß heißt, daß er tot ist?«
»Das Konzert fällt aus«, sagte MacNife heiser. »Wir werden die vorbestellten Karten zurückgeben müssen. Der Verlust…«
Hawkens schlug zu. Der Fausthieb schleuderte MacNife meterweit über die Bühne. Fassungslos starrte MacNife den Pianisten an, der sich die Fingerknöchel rieb, und wischte sich den dünnen Blutfaden vom Kinn, der ihm aus dem rechten Mundwinkel lief. Dann stürmte er zornig auf Hawkens zu, der schon ausholte, um ihn mit einem wuchtigen Schwinger zu empfangen.
Es kam nicht mehr dazu.
Drei, vier Männer sprangen nach vorn und hielten die Kontrahenten fest, zerrten sie auseinander. »Seid ihr wahnsinnig? Müßt ihr euch unbedingt noch über der Leiche prügeln?« rief jemand erregt. »Wenn ihr euch totschlagen müßt, dann macht das draußen auf der Straße ab!«
»Ich bring ihn um«, keuchte Hawkens, von dem jeder wußte, daß er einer der besten und ältesten Freunde Samaras gewesen war. »Ich schlage diesen Dreckskerl tot, der nur an seine verdammten Dollars denken kann! Laßt mich los, damit ich ihn umbringen kann!«
MacNife hatte sich wieder gefaßt.
»Das Orchester wird in Zukunft auf Ihre Mitwirkung verzichten müssen, Hawkens«, sagte er kalt. »Ich möchte nichts mehr mit Ihnen zu tun haben. Packen Sie Ihre Sachen zusammen und verschwinden Sie.«
»Schmeißt ihn raus!« tobte Hawkens. »Oder ich bringe ihn um!«
MacNife verließ die Bühne freiwillig, als der herbeigerufene Notarzt kam, der aber auch nicht mehr tun konnte, als Franco Samaras Tod festzustellen. Eine halbe Stunde später wurde der Leichnam in einer schwarzen Kombilimousine fortgebracht.
Den Mann, der hinter der Bühne gestanden und zugesehen hatte, beachtete niemand. Ruhig stand er da, ein geschäftsmäßig kühles Lächeln um die dünnen Lippen. Seine Augenlider waren halb geschlossen, so konnte niemand erkennen, daß die Augen nahezu schwarz waren.
Schwarz und pupillenlos wie die des Toten.
***
Die Polizei interessierte sich für Franco Samaras abruptes Ableben. Zwei Beamte der Mordkomission, von denen niemand wußte, wer sie nun eigentlich herbeigerufen hatte, sprachen mit den Musikern des Orchesters und mit dem Manager MacNife. Daraus ging hervor, daß es keinen ersichtlichen Grund für Samaras Sterben gab. Der Mann war kerngesund gewesen, im besten Mannesalter und hatte niemals über irgendwelche Beschwerden geklagt. Somit war ein Mord nicht auszuschließen. Aber wer konnte ein Interesse daran haben, den bekannten und berühmten Dirigenten Franco Samara zu ermorden? Noch dazu während der Orchesterprobe auf der Konzertbühne?
Eine gerichtsmedizinische Untersuchung des Leichnams wurde beantragt und angeordnet. Drei Stunden später glaubten die Mediziner ihren Augen nicht zu trauen, weil der Tote im Moment, als sie ihre Skalpelle ansetzen wollten, die Lider öffnete und sie maßlos verblüfft ansah.
»Was soll das hier?« schrie er entsetzt auf. »Wollt ihr mich umbringen? Verdammt, wie komme ich überhaupt hierher? Habt ihr den Verstand verloren, oder was ist los?«
Er sprang förmlich von dem Obduktionstisch und stand nackt und wütend, aber auch entsetzt, vor den drei Medizinern und Gehilfen. »Wer hat mich entführt und hierher gebracht? ich will es wissen, sofort!« Und mit beiden Fäusten hatte er einen der Ärzte gepackt und schüttelte ihn durch. Die Mediziner waren nicht weniger entsetzt als der vermeintliche Tote selbst.
»Sir… Sir… Sie waren tot!« keuchte Doc Narrys. »Mann, so lassen Sie mich doch endlich los! Sie sind als Toter hier eingeliefert worden! Ihr Herz schlug schon seit ein paar Stunden nicht mehr! Und Sie waren auch gerade noch tot, als Sie hier hereingerollt wurden! Verflixt, ich bin doch kein Idiot! Ich kann doch noch
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