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Der Gesellschaftsvertrag

Der Gesellschaftsvertrag

Titel: Der Gesellschaftsvertrag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Jacques Rousseau
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verrichteten seine Arbeiten, alles drehte sich bei ihm nur um die Freiheit. Da kein Volk mehr die gleichen Vorteile besitzt, wie könnte es da noch dieselben Rechte behaupten? Durch unser rauheres Klima sind weit mehr Bedürfnisse hervorgerufen: [Fußnote: In kalten Ländern sich dem Luxus und der Weichlichkeit der Morgenländer hingeben, hieße sich absichtlich ihre Ketten anlegen, hieße sich eine noch weit größere Sklaverei aufbürden als jene.] sechs Monate im Jahre kann man es auf den öffentlichen Plätzen nicht aushalten, unsere klanglosen Sprachen bleiben in freier Luft unverständlich, wir sehen mehr auf Gewinn als auf Freiheit und haben weit geringere Scheu vor der Sklaverei als vor der Armut.
    Wie! Die Freiheit läßt sich nur mit Hilfe der Knechtschaft behaupten? Vielleicht. Die Extreme berühren sich. Alles, was nicht durch die Natur bedingt ist, hat seine Übelstände, und die bürgerliche Gesellschaft mehr als alles andere. Es gibt leider solche unglückseligen Lagen, daß man seine eigene Freiheit nur auf Kosten der Freiheit anderer behaupten, und der Bürger nur dadurch vollkommen frei sein kann, daß der Sklave in der allertiefsten Sklaverei schmachtet. Der Art war die Lage Spartas. Ihr Völker heutiger Zeit habt zwar keine Sklaven, aber dafür seid ihr es selbst; ihr bezahlt ihre Freiheit mit der eurigen. Ihr rühmt euch dieses Vorzugs vergeblich, ich finde darin mehr Feigheit als Menschlichkeit.
    Mit dem allen will ich keineswegs behaupten, daß man sich Sklaven halten müsse, oder daß das Recht der Sklaverei gesetzmäßig sei; ich habe ja gerade das Gegenteil bewiesen. Ich gebe lediglich die Gründe an, weshalb die neueren Völker, die sich für frei halten, Vertreter haben, und weshalb die alten Völker keine hatten. Wie dem auch sei, sobald ein Volk Vertreter ernennt, ist es nicht mehr frei, existiert es nicht mehr.
    Alles wohl erwogen begreife ich es nicht, wie es dem Staatsoberhaupte in Zukunft möglich ist, sich unter uns die Ausübung seiner Rechte zu bewahren, wenn nicht das Gemeinwesen sehr klein ist. Aber wird es in diesem Falle nicht unterjocht werden? Nein. Ich werde später [Fußnote: Diesen Nachweis hatte ich mir in der Fortsetzung dieses Werkes zu führen vorgenommen, wenn ich bei der Behandlung der auswärtigen Beziehungen zu den Bündnissen gekommen sein würde, einem noch ganz neuen Stoffe, bei dem sogar erst die Prinzipien festgestellt werden müssen.] zeigen, wie man die äußere Macht eines großen Volkes mit der gesunden Verwaltung und der guten Ordnung eines kleinen Staates vereinen kann.

16. Kapitel
Die Einsetzung der Regierung ist kein Vertrag
    Sobald die gesetzgebende Gewalt einmal vollkommen gegründet ist, gilt es, die vollziehende Gewalt ebenfalls festzusetzen; denn letztere, die durch ihre Verfügungen nur auf einzelne wirkt, teilt nicht das Wesen der ersteren und ist von ihr von Natur verschieden. Wäre eine Möglichkeit vorhanden, daß das Staatsoberhaupt, als solches betrachtet, zugleich die vollziehende Gewalt ausübte, so würde das Recht und die Vollstreckung in einer Weise miteinander vermengt werden, daß man nicht mehr wissen würde, was Gesetz ist und was keins, und der auf diese Weise verdorbene politische Körper würde der Gewalttätigkeit, gegen die er gestiftet wurde, bald zur Beute werden.
    Da die Staatsbürger nach dem Gesellschaftsvertrage sämtlich gleich sind, so können auch alle vorschreiben, was die Gesamtheit tun muß, während keiner verlangen darf, daß ein anderer etwas tue, was er nicht selbst verrichtet. Gerade dieses zur Belebung und Bewegung des Staatskörpers unentbehrliche Recht ist es eigentlich, das das Staatsoberhaupt bei der Gründung der Regierung dem Fürsten verleiht.
    Einige wollen behaupten, der Akt dieser Einsetzung sei ein Vertrag zwischen dem Volke und den Oberhäuptern, die es sich gibt, ein Vertrag, durch den zwischen beiden Parteien die Bedingungen festgestellt würden, unter denen sich die eine zum Befehlen, die andere zum Gehorchen verpflichtete. Man wird mir sicherlich zugestehen, daß diese Weise, einen Vertrag abzuschließen, höchst sonderbar wäre. Wir wollen jedoch untersuchen, ob diese Ansicht haltbar ist.
    Zunächst kann die höchste Gewalt ebensowenig geändert wie veräußert werden; ihre Beschränkung wäre ihre Vernichtung. Es ist ungereimt und steht mit sich selbst im Widerspruche, daß das Staatsoberhaupt einen ihm Vorgesetzten ernennen könne; sich verpflichten, einem Herrn zu gehorchen, hieße zur

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