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Der gestohlene Traum

Der gestohlene Traum

Titel: Der gestohlene Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Marinina
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Vernehmungstaktik und übertrug ihm deshalb oft die Arbeit mit Zeugen, wobei er stets betonte, dass Larzew dabei bessere Ergebnisse erzielte als er selbst.
    »Larzew ist im Moment beschäftigt«, sagte Nastja ausweichend, »man hat ihm einen anderen Fall übertragen. Den Fall Jeremina werde in Zukunft ich bearbeiten.«
    Olschanskij war zweifellos enttäuscht, aber er ließ sich nichts anmerken. Er holte die Akte aus dem Safe und ließ Nastja am Beistelltisch Platz nehmen.
    »Lies das einstweilen, ich muss eine Anklageschrift fertig stellen. In einer Dreiviertelstunde habe ich eine Gegenüberstellung, bis dahin musst du hier wieder verschwunden sein. Sieh zu, dass du in dieser Zeit fertig wirst.«
    Die Akte erwies sich als nicht sehr umfangreich. Aus dem Gutachten des Gerichtsmediziners ging hervor, dass der Tod durch Atemstillstand infolge von Erwürgen eingetreten war, wahrscheinlich hatte der Täter ein Handtuch benutzt (entsprechende Gewebeteilchen wurden an den spitzen Enden eines Ohrrings gefunden, der die Form einer Blüte mit fünf Blättern hatte). Der Körper der Ermordeten wies im Bereich des Rückens und der Brust zahlreiche Blutergüsse auf, die von Schlägen mit einem dicken Strick oder Riemen stammten. Die Blutergüsse hatten sich frühestens zwei Tage und spätestens zwei Stunden vor dem Eintreten des Todes gebildet.
    Im Vernehmungsprotokoll, das angesichts des Gesprächs mit dem Generaldirektor der Firma, in der die Jeremina gearbeitet hatte, angefertigt wurde, hieß es: »Vika hat viel getrunken, trotzdem kam sie regelmäßig zur Arbeit. Natürlich benahm sie sich gelegentlich etwas absonderlich, wie alle Alkoholiker. Zum Beispiel verschwand sie manchmal für zwei, drei Tage mit einem Mann, den sie kaum kannte. Aber sie holte sich vorher immer die Erlaubnis ihres Chefs ein, wobei sie ganz offen zugab, wofür sie den Urlaub brauchte. In letzter Zeit hatte sie sich stark verändert, sie war plötzlich verschlossen und unberechenbar geworden, oft schien sie gar nicht zu verstehen, was man sie fragte, sie starrte geistesabwesend vor sich hin und bemerkte manchmal überhaupt nicht, dass man sie ansprach. Es hatte den Anschein, dass sie ernsthaft krank geworden war.«
    Vikas Freund, Boris Kartaschow, hatte Folgendes ausgesagt: »Ich bin überzeugt davon, dass Viktoria krank war. Vor etwa einem Monat begann sie die fixe Idee zu verfolgen, dass jemand per Radio Einfluss auf sie nimmt und ihr die Träume stiehlt. Ich wollte sie zum Besuch eines Psychiaters überreden, doch sie lehnte kategorisch ab. Daraufhin habe ich mich selbst an einen befreundeten Arzt gewandt, der die Überzeugung äußerte, dass Vika unter einer akuten Psychose litte und dringend in eine Klinik eingewiesen werden müsste. Doch Vika wollte nicht auf mich hören. Manchmal verhielt sie sich höchst leichtsinnig, sie schloss irgendwelche zufälligen Bekanntschaften und ließ sich mit zwielichtigen Typen ein, besonders in alkoholisiertem Zustand. Manchmal verschwand sie sogar für mehrere Tage mit einem ihrer Liebhaber. Am 18. Oktober musste ich eine Dienstreise antreten, am 26. Oktober kam ich zurück und begann Viktoria zu suchen, da ich befürchtete, dass ihr etwas zugestoßen war. Davon, dass sie wegfahren wollte, habe ich nichts gewusst, sie hat mir nichts davon gesagt.«
    Die Aussage von Olga Kolobowa, Jereminas Freundin: »Ich kenne Vika schon mein ganzes Leben, wir sind zusammen im Waisenhaus aufgewachsen. Natürlich kenne ich auch Boris Kartaschow. Vor etwa einem Monat sagte er mir, Vika sei krank geworden, sie hätte die fixe Idee, dass ihr jemand aus dem Radio die Träume stehlen würde. Boris bat mich, mit ihr zu sprechen und sie dazu zu bringen, einen Arzt aufzusuchen. Doch Vika lehnte entschieden ab, sie hielt sich für völlig gesund. Ich fragte sie, ob es wahr sei, was Boris gesagt hatte, ob ihr wirklich jemand aus dem Radio die Träume stehlen würde, und sie bejahte. Zum letzten Mal habe ich am 22. Oktober mit Vika gesprochen, gegen elf Uhr abends, ich habe sie zu Hause angerufen. Wir wollten uns am Sonntag treffen. Seitdem habe ich nichts mehr von ihr gehört und gesehen.«
    Die Aussage des Psychiaters und Kandidaten der medizinischen Wissenschaften, den Kartaschow konsultiert hatte: »Vor etwa zwei, drei Wochen wandte sich Boris Kartaschow wegen seiner Bekannten an mich, die unter einer fixen Idee litt. Die Symptome, die er mir beschrieb, wiesen darauf hin, dass die junge Frau ernsthaft krank geworden war und dringend in

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