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Der Gewinner Geht Leer Aus

Der Gewinner Geht Leer Aus

Titel: Der Gewinner Geht Leer Aus
Autoren: Richard Stark
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morgen.«
    »Okay.«
    »Noch etwas«, sagte er. »Sieh doch mal zu, ob du jemand auftreiben kannst, der Kyrillisch lesen kann.«
    »Du meinst Russisch?«
    »Ja, Russisch.«

NEUN
    Einmal, vor Jahren, waren Leute in Claires Haus gewesen, die Parker dort nicht hatte haben wollen. Er hatte mitten in der Nacht mit einem Ruderboot, das er sich an einem Haus auf der gegenüberliegenden Seite des Sees ausgeliehen hatte, übergesetzt, wobei er sich an den Lichtern der anderen Anwesen am Ufer orientiert hatte. Nun tat er das gleiche, wenn auch später, um drei Uhr morgens, als alle Häuser ringsum dunkel waren. Damals war er quer über den See gerudert, doch diesmal sah er sich in der Nähe der Staatsstraße, etwa fünfhundert Meter östlich von Claires Haus, nach einem Boot um.
    Alle anderen Häuser entlang des Ufers waren bereits winterfest gemacht. Bei den ersten beiden war kein Boot zu finden, doch zum dritten gehörte, wie bei Claires Haus, ein Bootsschuppen, neben dem auf einem aus Beton gegossenen Steg ein umgedrehtes Dingi aus Glasfiber lag. Als er es anhob, entdeckte er darunter die Ruder. Er ließ das Boot zu Wasser und fuhr, indem er eines der Ruder wie ein Paddel benutzte, am Ufer entlang.
    Weiter draußen schimmerte das Wasser im Licht der Sterne, doch hier, am Rand des Sees, bewegte Parker sich im Schatten der Hügel und Bäume. Die Dunkelheit war so tief, dass die Häuser kaum voneinander zu unterscheiden waren. Er würde nicht Claires Haus, sondern den Bootsschuppen erkennen.
    Fast lautlos glitt das Boot durch das Wasser. Das leise Plätschern des Ruders verschmolz mit der kühlen Stille der Nacht. Bald ragte das tiefe Schwarz des Bootsschuppens im Dunkel wie ein Block vor ihm auf. Er legte das Ruder ab, ließ das Boot treiben und beugte sich vor, um sich an der Wand des Schuppens abzustützen, damit das Boot nicht dagegenstieß. Mit den Händen schob er sich an der rauhen Wand des Schuppens zu seiner Rechten voran bis zum hölzernen Steg und hielt an, bevor das Boot gegen die Ufermauer aus Beton stieß.
    Seine Pistole steckte in der Innentasche seines Jacketts. Er legte sie vor sich auf den brusthohen Steg, erhob sich, beugte sich vor und kniete sich auf die Planken. Das Boot trieb langsam zurück auf den See. Auf dem Steg kniend und sich mit einer Hand abstützend, nahm er die Pistole und sah zum Haus.
    Nichts. Unter den Bäumen, die es umgaben, lag es pechschwarz da. Auf dieser Seite des Hauses standen zwischen Haus und See nur wenige hohe, noch spärlich belaubte Bäume. Vorsichtig schlich er voran, den linken Arm ausgestreckt, um nicht gegen einen der Bäume zu stoßen, und schließlich war er an der mit Fliegengitter versehenen Veranda angelangt. Die Tür öffnete sich lautlos.
    Claire hatte gesagt, das Fenster in der inneren Tür sei eingeschlagen worden, und bestimmt war es noch nicht ersetzt. Parker tastete nach dem zerbrochenen Glas, schob die Tür leise auf und trat ein.
    Parker durchsuchte das Haus eine Stunde lang gründlich. Er bewegte sich, als wäre ihm das Haus fremd und voller Feinde. Er suchte nach Menschen, nach Fallen, nach irgendwelchen Spuren der Eindringlinge, doch schließlich musste er feststellen, dass es nichts und niemanden zu finden gab.
    Der Strom war abgestellt, und er schaltete ihn auch nicht ein. Er ging ins Wohnzimmer, setzte sich auf das Sofa und döste ein wenig, bis es draußen hell wurde. Dann stand er auf und machte eine weitere sehr lange Runde durch das Haus. Er nahm alles in Augenschein, fasste aber nichts an.
    Sie hatten das Haus nicht durchsucht. Sie hatten nichts mitgenommen. Die zerbrochene Scheibe in der Tür war das einzige Anzeichen, dass jemand dagewesen war.
    Sie hatten einen Grund gehabt zu kommen. Wenn schon nicht, um etwas mitzunehmen, dann um etwas dazulassen.
    Ja. Es war jetzt taghell, und nun sah er es: Über der Haustür, die von der Vorderseite des Hauses direkt ins Wohnzimmer führte, hing vom Türrahmen ein dünnes braunes Haar. Wenn jemand diese Tür öffnete, würde sie das Haar streifen.
    Parker holte einen Stuhl aus dem Esszimmer, stellte ihn einen Meter rechts von der Tür an die Wand und stieg darauf. Auf der Oberseite des Türrahmens war etwas, das wie eine sehr kleine Juwelierslupe aussah: ein runder, mattschwarzer Zylinder mit einer Linse aus nichtreflektierendem Glas. Das Haar war daran befestigt.
    Eine Überwachungskamera. Wenn jemand durch diese Tür ins Haus trat, bewegte sich das Haar und schaltete die Kamera ein, die das, was im
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