Der Gewinner Geht Leer Aus
Wohnzimmer geschah, irgendwohin übertrug.
Wie groß mochte die Reichweite sein? Die Leute, die sie montiert hatten, würden nah genug sein, um sofort in Aktion treten zu können, aber weit genug entfernt, um ungesehen zu bleiben.
Und in der Garage würde eine zweite Kamera sein, für den Fall, dass er das Haus auf diesem Weg betrat. Er brauchte nicht danach zu suchen – er wusste, dass sie da war. Odervielleicht nicht mal eine Kamera, sondern lediglich eine Apparatur, die ihnen verriet, dass das elektrische Garagentor betätigt worden war.
Parker stellte den Stuhl wieder ins Esszimmer, trat auf die Veranda und blickte über den See. Das Dingi trieb auf dem Wasser und drehte sich langsam um sich selbst. Im klaren Licht der Herbstsonne sah es zinnoberrot aus. Alle Häuser in seinem Blickfeld waren verschlossen und bis zum Frühjahr verlassen.
Sie konnten in jedem beliebigen Haus am See sein. Er hatte keine Zeit, die ganze Gegend abzusuchen, und schon gar nicht konnte er es unbemerkt tun.
Ob sie wohl hin und wieder herkamen, um das Haus und die Kamera zu untersuchen? Er wollte nicht bei Tageslicht aufbrechen, und so ging er in die Küche, von wo er den See und das Wohnzimmer im Auge behalten konnte, und wartete. Die Tür des ausgeschalteten Kühlschranks stand offen, aber in der Speisekammer waren einige Konserven. Er aß etwas und wartete, doch es zeigte sich niemand. Nach Einbruch der Dunkelheit schlich er über die Veranda hinaus und ging über die Nachbargrundstücke zu seinem Wagen.
Vorerst konnten sie das Haus ruhig haben.
ZEHN
Sie nahmen ein spätes Abendessen ein und verbrachten gemeinsam eine gute Nacht. Beim Frühstück, das sie sich auf dem Zimmer servieren ließen, sagte Claire: »Ich habe eine Frau gefunden, die Russisch lesen kann. Sie ist Russin.«
»Gut.«
»Sie ist Mitinhaberin eines Pelzgeschäfts in Midtown.«
»Hoffentlich habe ich dem nicht schon mal einen Besuch abgestattet.«
Sie lachte und sagte: »Nein, da bin ich sicher. Sie ist nach dem Zusammenbruch des Kommunismus aus Russland hergekommen. Ihre Familie ist dort drüben groß im Pelzgeschäft – sie exportieren Zobelpelze und haben vor drei Jahren beschlossen, dass sie jemand hier vor Ort haben wollen.«
»Du willst ihr etwas abkaufen«, vermutete Parker.
»Natürlich.« Claire zuckte die Schultern. »Warum sollte sie sonst mit mir reden?«
Madame Irina war eine kleine Frau mit der Statur einer Kropftaube. Sie trug einen engen schwarzen Hosenanzug, und ihr Haar war weiß wie frisch gepflückte Baumwolle. Eine Schmetterlingsbrille, die an einer goldenen Kette um ihren Hals hing, ruhte auf ihrem ausladenden Busen. Die schwarzen Slipper glitten flüsternd über den dicken schwarzen Flor des Teppichs.
Der Raum mit den in neutralem Grau gehaltenen Wändenund der niedrigen weißen Decke war eher klein und stilvoll spärlich eingerichtet. Niedrige dunkelbraune Sessel und Sofas bildeten drei Sitzgruppen um Couchtische mit ovalen Glasplatten, auf denen Hochglanzmagazine dachziegelartig ausgelegt waren, als befände man sich im Wartebereich einer interplanetarischen Fluglinie. In den Ecken standen drei sehr große, schlanke Schaufensterpuppen mit fremdartig stolzen Gesichtern, die prächtige lange Pelzmäntel trugen.
Zur Rechten befand sich ein großes Fenster, durch das man in einen betriebsamen, cremefarben eingerichteten Büroraum mit vier Angestellten sah, deren Gesichter dem Fenster zugewandt waren. Das Glas war vermutlich kugelsicher. Das Lager mit den wertvollen Pelzen befand sich hinter der grauen, beinahe unsichtbaren Tür gegenüber dem Eingang.
Dieser Eingang in der zweiten Etage des Gebäudes an der Madison Avenue war nach Art einer Schleuse konstruiert. Parker und Claire waren aus dem Aufzug getreten und von den vier Angestellten durch ein zweites, auf den Korridor gehendes Fenster in Augenschein genommen worden. Claire hatte in ein Mikrofon gesprochen, eine höfliche, metallische Stimme hatte »Aber natürlich, Mrs. Willis, treten Sie ein« gesagt, sie hatten ein Summen gehört und eine mit einem Fenster versehene Tür geöffnet, die in einen kleinen, quadratischen grauen Vorraum mit einer zweiten Tür führte. Die Tür hinter ihnen hatte sich mit einem dezenten, aber deutlichen Klicken geschlossen, und Madame Irina war lächelnd durch den Präsentationsraum auf sie zugetrippelt und hatte dabei ausgesehen wie eine Kropftaube, die aus einer Laune heraus beschlossen hatte, sich heute einmal nur gehend
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