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Der gläserne Schrein (German Edition)

Der gläserne Schrein (German Edition)

Titel: Der gläserne Schrein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Schier
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flackerten unzählige Kerzen in dem großen Leuchter, am Altar und in den Wandhalterungen ringsum. Der Dom lag in völliger Stille da, lediglich aus der Chorhalle drangen leise die Stimmen der Arbeiter herüber. Christophorus versuchte, ruhig zu atmen und seinen heftigen Herzschlag zu ignorieren, der ihm in den Ohren dröhnte. Da weit und breit weder ein Augustinermönch noch einer der Domherren zu sehen war, beschloss er, zu den Stiftshäusern zu gehen. Gerade als er sich abwenden wollte, vernahm er ein leises Murmeln.
    Angestrengt lauschend schlich er voran und erkannte schließlich, dass die Stimmen zweier Männer aus der fast fertigen Matthiaskapelle kamen.
***
    «… immer noch nichts herausgebracht. Dabei haben wir ihr fast die Schulter ausgerenkt. Vielleicht sagt sie ja wirklich die Wahrheit.»
    «Vielleicht, vielleicht auch nicht. Das Weib ist stur. Solange wir Bruder Christophorus nicht gefasst haben, können wir nicht sicher sein.» Es entstand eine kurze Pause. «Hast du Scheiffart zu ihr gebracht?»
    «Vorhin.»
    «Gut. Wenn sie das nicht zum Reden bringt …»
    «Wir müssen sie loswerden. Ihre Familie hat ganz Aachen aufgescheucht. Selbst die Schöffen lassen schon nach ihr suchen.»
    «Sie werden sie finden, keine Frage. Ob sie sie dann allerdings noch haben wollen, ist eine andere Frage.» Wieder entstand eine kurze Pause. «Verschwinde jetzt, Barnabas. Ich will nicht, dass man uns zusammen sieht.»
***
    Für einen kurzen Moment schloss Christophorus die Augen. Er musste sich zwingen, nicht sofort auf die beiden loszustürzen, sondern sich im Hintergrund zu halten. Sein Herz pochte nach wie vor heftig gegen seine Rippen. Marysa lebte also noch. Seine Erleichterung über diese Information mischte sich mit unbändigem Zorn, dass man ihr offenbar Schmerzen zugefügt hatte, um sie zum Reden zu bringen.
    Die Stimme des Mannes namens Barnabas kannte er nicht, die andere hingegen war ihm wohlbekannt. Es war eindeutig Bruder Eldrad, der bekannte Inquisitor! Er konnte es kaum glauben.
    Aus der Kapelle wurden Schritte laut; hastig sprang er hinter einen Mauervorsprung und drückte sich gegen die Wand. Christophorus erkannte den falschen Bettler – Barnabas –, der aus der Kapelle schlüpfte, sich kurz umblickte und dann geräuschlos verschwand. Nur wenige Augenblicke später erklangen erneut Schritte, diesmal aus der Pfalzkapelle. Christophorus verhielt sich weiterhin ganz still und beobachtete Bruder Bartholomäus, der an ihm vorübereilte, ohne ihn zu bemerken. «Ah, hier seid Ihr!», rief er, nachdem er die Matthiaskapelle betreten hatte. «Ich dachte, Ihr wäret bei Eurer Andacht. Habt Ihr Euch Bruder Jacobus’ Werk noch einmal angesehen? Er hat schon einiges bewirkt, seit er das Amt des Baumeisters übernommen hat. Diese Wand hier hat er neu verputzen lassen und … Aber was rede ich da! Ich soll Euch holen kommen, werter Bruder. Die Schöffen wünschen, Euch in einer sehr dringenden Angelegenheit zu sprechen.»
    «Was für eine Angelegenheit?»
    «Das weiß ich nicht genau», antwortete Bruder Bartholomäus. «Man sagte mir nur, Euer Rat als Inquisitor sei dringend erwünscht.»
    «In diesem Falle komme ich selbstverständlich sofort.» Bruder Eldrads Stimme klang selbstgefällig.
    Christophorus hielt die Luft an. Als Bruder Bartholomäus und Bruder Eldrad eiligen Schrittes die Kapelle verließen, presste er sich noch fester gegen die Mauer. Die beiden Männer strebten dem Portal zu. Erst als er sicher war, dass sie den Dom verlassen hatten, stieß er keuchend die Luft aus und trat aus seinem Versteck hervor. Bruder Eldrad, der weit über die Grenzen des deutschen Reiches hinweg bekannte und geachtete Inquisitor, steckte tatsächlich mit den Verschwörern unter einer Decke. Was aber schlimmer war – er, Christophorus, hatte Eldrad damals im Dom verraten, dass sie einen Verdacht wegen der wiederholten Anschläge hegten. Kein Wunder, dass dieser ihnen Barnabas auf den Hals gehetzt hatte. Aber was sollte die Einladung durch den Stadtrat? Hatte Hartwig die Schöffen bereits informiert? Hätten sie Bruder Eldrad dann nicht eher durch einen Büttel festnehmen lassen? Wie waren sie überhaupt auf ihn gekommen? Er hatte Hartwig doch nur von seinem Verdacht gegen Bruder Jacobus erzählt.
    Rasch lief Christophorus ebenfalls zum Portal und warf vorsichtig einen Blick hindurch. Er konnte gerade noch erkennen, wie Bruder Bartholomäus mit dem Inquisitor über den Kaxhof davoneilte. Wo steckte Barnabas?

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