Der Glanz der Welt
gesagt, ich bin Amts- und nicht Meinungsträger. Aber so wie es aussieht, spricht einiges für einen Serientäter. Und ja, Sie müssen sich fürchten, solange wir keine Klarheit haben. Wissen Sie, es gibt so viele Verrückte, Psychopathen, Verwirrte, Ängstliche, Hasserfüllte auf dieser Welt, da weiß man nie. Vielleicht gibt es irgendwo doch einen Regisseur, der wegen Ihrer Aktivitäten einen Karriereknick erlitten hat und sich jetzt rächt. Denken Sie mal nach!“
„Ich wüsste nicht, wer das sein sollte. Also, wenn wir es auch nur in einem Fall geschafft hätten, so einem Stückedemolierer die Karriere zu versauen, das stünde in roter Farbe in unseren Kalendern und Notizbüchern. Das wäre alljährlich ein großer Feiertag, ein Fest der hohen Schauspielkunst. Nein, so leid es mir, uns allen tut, einen derartigen Erfolg, deruns einen solchen Feind einbringen hätte können, durften wir nie genießen.“ Mühsal blickte sich um. „Oder seht ihr das anders?“ Alle schwiegen betreten.
„Dann wollen wir den Abend für heute beenden. Das wird nichts mehr nach dieser Störung, entschuldigen Sie uns bitte, Herr Hauptkommissar.“
„Erstens bin ich Abteilungsinspektor und zweitens können Sie einfach Pirchmoser zu mir sagen. Das reicht vollauf! Zweckdienliche Angaben wären mir lieber.“
„Wenn Sie nichts dagegen haben, werden wir jetzt aufbrechen“, sagte Mühsal.
„Nein, keine Einwände, gehen Sie ruhig. Ihre Namen habe ich notiert. Wenn ich noch Fragen habe, komme ich auf Sie zu. Wie viele Mitglieder haben denn heute gefehlt?“ Pirchmoser steckte sein Notizbuch weg.
„Drei“, sagte Mühsal, und er flüsterte es, als ob er sich wegen der geringen Mitgliederzahl genieren würde.
„Das nenne ich eine erlesene Runde“, sagte Pirchmoser. „Schreiben Sie mir bitte die Namen der heute Abwesenden auf!“
Er holte das Notizbuch wieder aus seiner Sakkotasche, hielt es Mühsal hin, und der begann zu schreiben.
„Muss ich jetzt um mein Leben fürchten?“, fragte Luzia ängstlich.
„Das sollten Sie, das sollten Sie!“, sagte Pirchmoser mit boshafter Freundlichkeit. „Und denken Sie alle darüber nach, wer es auf Sie abgesehen haben könnte!“
Die Vereinsmitglieder verließen den Clubraum. Im Abgehen ertönte die Stimme von Gans:
„Den Erlkönig mit Kron’ und Schweif?
Mein Sohn, es ist ein Nebelstreif.“
Nur Mühsal blieb zurück, da er noch in Pirchmosers Notizbuch schrieb. Als sie allein im Raum waren, trat er zu Pirchmoser und gab ihm das Notizbuch zurück: „Ich lege für alle die Hand ins Feuer. Von uns war das niemand. Der Einzige, dem Sie kein Wort glauben dürfen, das ist der John Miller. Seine Engagements rund um die Welt, Lee Strasberg, Broadway – alles erstunken und erlogen. Frei erfunden. Der hat auf dem Rest vom Globus genauso wenig Rollen gespielt wie in Österreich. Genau null Rollen, um es exakt zu sagen. Und er heißt nicht John Miller, sondern Hansi Müller. In den USA war er nie, und den Ami-Akzent hat er sich vom Schwarzenegger abgehorcht. Aber Mord traue ich ihm trotzdem keinen zu.“
„Und warum lügt dieser Herr Miller uns dann das alles vor?“, fragte Pirchmoser.
„Das ist halt sein Weg, seine Liebe für den Beruf des Schauspielers auszuleben. Er spielt uns den Schauspieler John Miller vor. Er weiß es; wir wissen es; er weiß, dass wir wissen; wir wissen, dass er weiß, dass wir wissen …“, zuckte Mühsal mit den Achseln und verließ den Clubraum, knapp gefolgt von Pirchmoser, der noch zur Bar ging, hinter deren Tresen gerade Giuseppe auftauchte.
„Lauter Verrückte“, sagte Pirchmoser, „einen doppelten Enzian, den 60-Prozenter.“
Giuseppe nickte: „Lautes Verrücktes, du sagst es. Aber ist nettes Leute. Sind Spinnen …“
„Spinner …“, korrigierte Pirchmoser ihn.
Giuseppe wiederholte: „Spinner, richtig. Ich mag aber sie gern sehen! Die keine Mörder. Traurig, dass zwei tot davon!“
„Sehr traurig“, pflichtete Pirchmoser bei und trank den Enzian, den Giuseppe inzwischen vor ihn hingestellt hatte, in einem Zug aus.
„Feines Gesöff“, sagte Pirchmoser, während er sich mit dem Handrücken über die Lippen wischte, dann durch die Zähne die Luft tief in die Lungen einsog. „Mach’s gut, Giuseppe, ich schau, dass ich ins Bett komme, habe morgen Frühdienst. Da muss ich zeitig raus.“
Pirchmoser verließ das Giacomos, die Straße war leer. Er sah sich sicherheitshalber in alle Richtungen um, dann warf er sich in Pose und rief laut
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