Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Glanzrappe

Der Glanzrappe

Titel: Der Glanzrappe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
Vom Netzwerk:
tatsächlich nicht mehr nach Hause kam. Sie hatte nur ganz einfach nicht gewußt, daß es wirklich stimmte. Aber von Robey s Tod hatte sie nie geträumt, und deshalb hatte sie jeden Tag Ausschau nach i hm gehalten, war ganz sicher gewesen, daß er zu ihr nach Hause zurückkehren würde.
    »Du mußt müde sein«, sagte sie, den Blick an ihrem Sohn vorbei auf das Mädchen gerichtet.
    »Ich muß mich hinlegen«, sagte Rachel. »Ich bin so müde, und die Schultern tun mir weh.«
    Die Mutter bedeutete ihr, sich in den Poltersessel am Fenster zu setzen. Robey folgte seiner Mutter in die Küche, wo sie ruhig und beherrscht Fett in eine Bratpfanne gab.
    »Wer ist sie?« fragte sie schließlich, als das Fett zu brutzeln begann und sie die aufgeschlagenen Eier hineingab. »Woher kommt sie?«
    »Ich weiß nicht viel über sie«, antwortete er.
    Als sie sich umdrehte und ihn anschaute, erkannte sie, daß er sich verändert hatte. Sie konnte sich nicht vorstellen, was er alles gesehen hatte, während er fort war. Sie konnte sich nicht vorstellen, wieviel Dunkel er in sich angesammelt hatte. Aber nein, er hatte sich nicht verändert. Er war ihr Sohn, nur war aus dem Kind ein Mann geworden, und das war zu erwarten gewesen.
    »Was hat sie dir erzählt?«
    »Wir haben nur wenig gesprochen.«
    »Worüber?«
    »Das frag ich mich manchmal auch.«
    »Sprich doch«, sagte die Mutter, aber sie war nicht ernstlich an diesem Thema interessiert. Sie wollte lediglich die Stille ausfüllen.
    »Sie hat erzählt, daß ihre Eltern in Afrika umgekommen sind.«
    »Ein schrecklicher Ort zum Sterben.«
    »Gibt es bessere?« fragte er.
    »Also, ich würde das eigene Bett vorziehen, aber ich bin auch nicht so ein Weltenbummler, wie du es geworden bist.«
    Er wurde rot vor Scham und wollte sich entschuldigen, brachte aber kein Wort über die Lippen. Er saß einfach bei ihr, während sie Eier und Speck briet und Brot im Ofen aufwärmte.
    Sie erzählte von der Farm, wie sie vorankam und was alles gemacht werden mußte, jetzt wo er zurück war.
    IN DIESER NACHT auf dem Berg saß er, während die Frauen schliefen, draußen in der kühlen Sommerluft, den Rappen an einer langen Leine angebunden. In der Ferne sah er einen schwachen Lichtschein und dann noch einen. Das Licht war Meilen weg, und es war ihm zuvor noch nie aufgefallen. Als die Mutter sich zu ihm gesellte, hatte sie einen Pullover über ihr Nachthemd gezogen und ihm einen Teller mit Broten mitgebracht. Er entschuldigte sich, weil er so vorlaut gewesen war, und sie nickte und nahm seine Entschuldigung an.
    »Das ist ein herrliches Pferd«, sagte sie.
    »Ich bin Mister Morphew noch was dafür schuldig«, erklärte er und erzählte, wie er zu dem Glanzrappen gekommen war; er sagte ihr aber nicht, daß der Krämerladen niedergebrannt war und die Schmiede ebenfalls. Statt dessen fragte er sie, was es mit den beiden Lichtern auf sich hatte, und sie sagte, daß die schon einen ganzen Monat brannten.
    »Das müssen neue Siedler sein«, meinte sie, »die haben erst mal alles mögliche verbrannt.«
    »Neue Siedler? «
    E r wunderte sich. Der Gedanke erschien ihm unfaßbar. Wußten die nicht, was in der Welt los war?
    Dann beantwortete er die Frage, von der er wußte, daß sie sie insgeheim stellte. »Es ist schwer, hier über das zu sprechen, was dort im Osten passiert ist.«
    »Wir haben Zeit«, sagte sie, und ein Seufzen entfuhr ihr. »Wir haben jetzt viel Zeit.«
    »Er hat mir gesagt, ich soll dir sagen, daß er dich mehr geliebt hat als alles auf der Welt.«
    Bei diesen Worten verlor sie die Fassung, konnte die Tränen nicht mehr zurückhalten. Er dachte an all die Frauen, die jetzt Tränen vergossen, die Mütter und Töchter, die um ihre Männer und ihre Söhne, ihre Brüder und ihre Liebsten weinten, um all die verlorenen Seelen, die nun keinen Körper mehr besaßen. Sie waren Gefangene der Träume, die ihnen bevorstanden und über die sie keine Macht hatten.
    Er dachte an die Männer und die Jungen, die nach Hause kamen und nie mehr gesund wurden, an die Gebrochenen und die Verwundeten, an die, die überlebt hatten. An die, die nie mehr sehen würden, die nie mehr laufen, kauen oder sprechen konnten, die sich nie mehr aufsetzen oder allein anziehen konnten, an die, deren Kopf nie mehr einen klaren Gedanken fassen würde.
    Was würden ihre Frauen tun? Würden sie die Männer und Jungen noch immer lieben? Was würde aus der Liebe werden? Er dachte, lieber tot und verloren als zerschunden und

Weitere Kostenlose Bücher