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Der Glanzrappe

Der Glanzrappe

Titel: Der Glanzrappe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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preßte die Strahlen in ihrer Faust zusammen und öffnete diese auf seiner Haut.
    »So einen wie ihn habe ich noch nie getroffen«, sagte er, »und ich hab schon viele komische Vögel gesehen.«
    »Man kann ihm nicht zuhören, ohne daß etwas in einem passiert«, flüsterte sie, als wäre es ein tödliches r Geheimnis. »Er kann einen hypnotisieren. Er macht den Mund auf und fängt an zu predigen, und schon geraten die Leute völlig aus dem Häuschen und kommen in Scharen angelaufen.«
    Sie fügte mit tiefer, pastoraler Stimme hinzu: »Wie kommt es, daß eine schwarze Kuh grünes Gras frißt und weiße Milch gibt, gelbe Butter und orangefarbenen Käse? Und du Ungläubiger meinst tatsächlich, es gibt keinen Gott? Halleluja!«
    Er fragte, was sie mit dem Mann und der Frau zu tun hatte und warum sie zusammen unterwegs waren.
    Sie erzählte, ihr Vater sei Prediger in Baltimore gewesen und für zwei Jahre in die Mission nach Afrika gegangen. Er sei ein wahrer Mann Gottes gewesen und habe immer gesagt, daß es einen himmelweiten Unterschied zwischen einem gangbaren und dem richtigen Weg gebe. Als sich ihre Eltern nach Afrika aufmachten, sollte sie bis zu ihrer Rückkehr bei dem Mann und der Frau in Pflege bleiben. Ihre Mutter und ihr Vater kamen jedoch in diesem fernen Land ums Leben.
    »Ihr Boot kenterte, und sie sind ans Ufer geschwommen und wurden von einem Löwen angefallen.«
    »Einem Löwen?« fragte er, als hätte er nicht gewußt, daß es die wirklich gibt.
    »Von einem Löwen.«
    »Gott, ich hab noch keinen gekannt, der von einem Löwen getötet wurde.«
    »Das passiert auch nicht jeden Tag«, sagte sie.
    Sie erzählte weiter, als könnte sie jetzt, wo sie einmal damit angefangen hatte, nicht mehr aufhören. Sie erzählte, an einem Tag habe er sie angeschrien und am n ächsten um Verzeihung gebeten. Er habe ihr Leben bestimmt, sie konnte keine eigene Entscheidung treffen.
    »Ich wollte immer weglaufen«, sagte sie, »aber ich fürchte, ich bin zu spät weggelaufen.«
    »Man kann sich an fast alles gewöhnen, wenn es nur langsam genug geht«, sagte er.
    »Daran nicht«, fauchte sie, und dann drehte sie ihm den Rücken zu und sagte nichts mehr, bis sie einschlief.
    Später wurde er aus dem Schlaf gerissen, weil er keine Luft mehr bekam. Es war, als legten sich Hände auf seinen Brustkorb und um seinen Hals, und er konnte kaum atmen. Er drehte sich auf den Bauch und stemmte sich hustend und keuchend auf alle viere hoch. Seine Augen brannten, und das Gesicht fühlte sich aufgequollen an. Die Scheune war voller Qualm, die Pferde stampften und wieherten und stießen mit den Hufen gegen die Seitenwände der Boxen. Zuerst konnte er den Rauch und den Krach überhaupt nicht einordnen. Er brauchte eine ganze Weile, bis er klar denken konnte, aber dann begriff er: Die Scheune brannte.
    Nackt und halb erstickt kroch er zum Tor, doch es ließ sich nicht aufschieben. Die Flammen waren bereits ganz nah. Er trat mit beiden Füßen gegen das Tor. Es gab bei jedem Tritt leicht nach, schloß sich aber sofort wieder, so daß er sich nicht hindurchzwängen konnte. Es war verriegelt oder verklemmt, er wußte es nicht.
    Er scharrte die Erde unter dem Tor weg, fand dann eine kaputte Schaufel und arbeitete damit weiter, bis das Loch groß genug war und er sich durchquetschen konnte. Er rechnete damit, draußen sofort erschossen zu werden, doch nichts geschah. Er blieb am Boden liegen und atmete t ief durch, und von dort, wo er lag, sah er, wie grauer Rauch aus den Fensteröffnungen quoll und zum Dach hinaufstieg. Die Führungsschiene über dem Tor hatte sich gelöst, und ein Rad war im Spalt festgeklemmt.
    Er stand auf und rüttelte mit aller Kraft am Scheunentor, bis es mitsamt der Schiene herunterkrachte und die Öffnung freigab, und dann stand er vor einer Wand aus schwarzem Rauch.
    Er kroch hinein, achtete darauf, nur die reine Luft dicht am Boden einzuatmen, und schließlich fand er sie, verloren und verzweifelt, packte sie und zog sie nach draußen, und auch der pechschwarze Hengst fand die Öffnung und preschte mit der braunen Stute im Schlepptau hinaus.
    Von dem Augenblick an war die Panik in ihr wieder da und ließ sie nicht mehr los. Ihr zitterten die Hände, und Worte stürzten wirr aus ihr hervor oder, noch häufiger, fand sie gar keine Worte. Er überlegte, daß Scheunentore bei dauernder Benutzung immer wieder mal aus der Führungsschiene rutschen, und vielleicht war es nur das gewesen, aber für den Ausbruch des Feuers fand

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