Der globale Eingriff
sinnlos“, sagte die Mary im Tonfall einer trauernden Mutter. „An sich sind es nur so kleine Unterschiede.“
„Für uns“, sagte Ann, „gibt es überhaupt keine Unterschiede. Die Handlungen sind samt und sonders rücksichtslos und verachtungswürdig.“
Die Mary schaute sie einen Augenblick lang an. Ihr Ausdruck ähnelte dem eines Technikers in einem Labor, der ein nicht unerwartetes Ergebnis eines Versuchs beobachtet. Malcolm sprach schnell, in der Angst, daß sich dieser hochmotivierte Supermensch dazu entschließen würde, die Überreste des Versuchs, nämlich sie, in den Ausguß zu kippen.
„Warum wurden den Duplikaten diese Namen gegeben, Mary? Hat das eine religiöse Bedeutung?“
„Als die Johannes-Gruppe die frühen präoperativen Maßnahmen auf der Erde ergriff“, antwortete sie, „war Religion auf der Erde weitaus wichtiger als heute. Wir konnten sie begrenzt für unsere Zwecke einsetzen. Unsere Organisation hat viele Merkmale eines strengen religiösen Ordens, und die Namen stehen für die grundlegenden philosophischen Meinungsverschiedenheiten zwischen uns und für die unterschiedlichen Handlungsmethoden.“
Weiterhin erklärte sie, die Johannes-Gruppe seien Prediger einer neuen Denkungsart, die dem Planeten eine Heilungsmethode brächten, die grundsätzlich gewaltlos sei – anfangs jedenfalls. Lukas sei von Anfang an weder Prediger noch Lehrer gewesen. Diese Gruppe hatte eine einfachere und zupackendere Methode. Wenn eine Einzelperson oder eine Gruppe Schwierigkeiten machte, dann wurde es vorgezogen, sie zu entfernen. Umerziehen hielt man für zu umständlich. Ihr Grundsatz war, auf einen Nenner gebracht, „im Zweifelsfalle tötet alle“. Es war natürlich, daß eine wissenschaftlich und kulturell so hochentwickelte Rasse wie die Trenkoraner den Weg der Johannes-Gruppe bevorzugte.
Aber die Umerziehung der Ortsansässigen ging langsam vonstatten, und die ersten Ergebnisse waren ärmlich, obwohl die verkündete Botschaft identisch war mit einer Ethik, die auf der Erde bereits seit Jahrhunderten verbreitet war. Bescheidenheit, Selbstbeherrschung und Respekt für die Menschen, das Eigentum und die Verhaltensweisen anderer Völker waren schön und gut, so lange sich jeder an diese Richtlinien hielt. Wenn sich aber einige daran hielten, andere dagegen nicht, dann waren die, die sich daran hielten, immer die Betrogenen, weil sie von den anderen ausgebeutet wurden, und die ursprüngliche Idee trat plötzlich in abstoßenden und schrecklichen Gewändern auf. Das Ergebnis war, daß die Johannesfraktion ihre Unterstützung verlor. Lukas bekam eine Chance zu zeigen, was er konnte.
Der operative Eingriff der Lukas-Gruppe gipfelte im Ersten Weltkrieg, welcher wiederum einen sofortigen Umschlag der Gefühle zugunsten von Johannes bewirkte.
Allgemeine Schreckens- und Schuldgefühle, die die menschliche Rasse nach dem Krieg beherrschten, ermöglichten Johannes gute Fortschritte. Aber die Lukasfraktion, die die Zeit ihrer Bevorzugung genutzt hatte, um die Organisation auszubauen, war ebenfalls nicht untätig – nach eigenen Angaben halfen sie, wo sie konnten. Nach Angaben der Johannes-Gruppe hingegen behinderten sie die Arbeit an allen Ecken und Enden. Zu diesem Zeitpunkt schlugen die Differenzen, die man auf Trenkoran A über den einzuschlagenden Weg hatte, in offene Feindseligkeit auf den Wächterausbildungsetagen von B und in heimliche Kriegsführung auf der Erde um.
Jetzt drohte die Situation außer Kontrolle zu geraten. Trotz der Bemühungen der Johannesfraktion, die Vernunft der Bevölkerung anzusprechen, und der vielen operativen Eingriffe kleinerer Art, die von Lukas in ausgewählten Gebieten besonderer Bösartigkeit durchgeführt wurden, lehnten bestimmte rassische und ideologische Gruppierungen es ab, maßvoll zu handeln. Der Weltkrieg hatte auf den Gebieten der Wissenschaft und der Technologie einen enormen Sprung nach vorn bewirkt, kulturell aber war das Denken der Ortsansässigen immer noch dem Mittelalter verhaftet. Und trotz des Einflusses einiger intelligenter und weitblickender Einheimischer, von denen manche von Johannes beeinflußt waren, wuchs die Erdbevölkerung in einem nicht mehr vertretbaren Maß an.
Die Lukas-Gruppe konnte zwar die Gunst ihrer Herren noch einmal gewinnen, aber das Vertrauen ging dieses Mal nicht sehr weit. Der von ihr verursachte Zweite Weltkrieg brachte deshalb nicht so viele Menschen um wie der erste. Teilweise war dies den Fortschritten zu verdanken,
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